Die uns bekannte Geschichte des Fu\u00dfballs scheint oft wie in Stein gemei\u00dfelt. Umso interessanter ist es, die Geschichte einfach mal umzuschreiben und sich ein Szenario auszumalen, dass man sich als Fu\u00dfballfan im Jahre 2015 nur schwer vorstellen kann. Wo w\u00fcrde heute zum Beispiel der FC Bayern stehen, wenn Arjen Robben nie zu den M\u00fcnchnern gewechselt w\u00e4re?<\/p>\n
Die uns bekannte Geschichte des Fu\u00dfballs scheint oft wie in Stein gemei\u00dfelt. Siegreiche Mannschaften sind auf dem Pokal eingraviert, Tore, Vorlagen und sonstige Statistiken aller m\u00f6glichen Einzelspieler statistisch erfasst, gro\u00dfe internationale Turniere wie die Weltmeisterschaft hinterlassen im Gastgeberland jahrelang Spuren. Doch oft sind scheinbar logische und vor allem gro\u00dfe und nachhaltige Entwicklungen im Weltfu\u00dfball von Zuf\u00e4llen, Bauchentscheidungen und teilweise purem Aktionismus gepr\u00e4gt.<\/p>\n
Umso interessanter ist es, die Geschichte einfach mal umzuschreiben und sich ein Szenario auszumalen, dass man sich als Fu\u00dfballfan im Jahre 2015 nur schwer vorstellen kann. In den letzten f\u00fcnf Jahren hat sich der FC Bayern M\u00fcnchen zu einem absoluten Topverein in Europa entwickelt. Neben dem FC Barcelona und Real Madrid sind es seit kurzem die Bayern, die in der ersten Reihe stehen, wenn es um den Champions League-Sieg geht.<\/p>\n
Das Triple im Jahr 2013 untermauerte dies endg\u00fcltig und eindrucksvoll. Mit Pep Guardiola wurde zudem ein Trainer verpflichtet, der bei einem Angebot der Bayern vor zehn Jahren wohl nur die Nase ger\u00fcmpft h\u00e4tte. Zu gro\u00df war der Abstand zur europ\u00e4ischen Spitze, zu antiquiert der Spielstil.<\/p>\n
Der FCB ist heute eine Macht im Weltfu\u00dfball. Doch was w\u00e4re, wenn eine entscheidende Figur, die diese Entwicklung gepr\u00e4gt, vorangetrieben und mit seinem Tor in Wembley finalisiert hat, niemals das M\u00fcnchner Trikot getragen h\u00e4tte? Was w\u00e4re, wenn Arjen Robben nie zu Bayern M\u00fcnchen gewechselt w\u00e4re?<\/p>\n
Wir schreiben August 2009. Beim FC Bayern, dem Primus der Bundesliga, herrscht Aufbruchstimmung. Nach einem f\u00fcr Au\u00dfenstehende beinahe belustigenden, f\u00fcr die Vereinsinternen jedoch schwierigen Jahr, was die Entlassung des erst zu Saisonbeginn verpflichteten J\u00fcrgen Klinsmann nach sich zog, sitzt nun endlich wieder ein, wie Uli Hoene\u00df in nahezu jedem Interview stolz propagierte, „Fu\u00dfballlehrer“ auf der Trainerbank: Louis van Gaal. Reizfigur, Egomane, Genie.<\/p>\n
In und um M\u00fcnchen ist auf einmal nur noch von Kurzpassspiel und Dreiecken die Rede. Junge Spieler wie Holger Badstuber und Thomas M\u00fcller mischen aus heiterem Himmel auf einmal im Starensemble des Rekordmeisters mit. In der Saisonvorbereitung wird unter anderem der AC Mailand mit 4:1 abgefr\u00fchst\u00fcckt. Die Euphorie ist gro\u00df, doch zu Saisonbeginn bleiben die Ergebnisse aus. Zwei Remis gegen Hoffenheim und Werder Bremen lassen Fragen zu van Gaals „Revolution“ zu, die Niederlage beim 1. FSV Mainz 05 am 3. Spieltag bringt das Fass zum \u00dcberlaufen.<\/p>\n
Fans und Experten laufen Sturm. Zu komplex und \u00fcberfordernd sei der Spielstil, aber vor allem seien die Positionen beim Rekordmeister mit den falschen Spielern besetzt. Mit Michael Rensing ein unerfahrener Torwart, der nie auch nur ansatzweise in die Fu\u00dfstapfen des 2008 zur\u00fcckgetretenen „Titan“ Oliver Kahn treten konnte, eine spielschwache Doppelsechs, Hamit Altintop und Bastian Schweinsteiger auf der rechten Au\u00dfenbahn, Mario Gomez im Sturm. Nicht spielstark genug, taktisch nicht kompatibel. Die Beziehung zwischen van Gaal und den Bayern scheint zu br\u00f6ckeln, bevor sie \u00fcberhaupt richtig aufgebaut werden konnte.<\/p>\n
Am 28. August, sechs Tage nach der 2:1-Niederlage in Mainz, verpflichtet Bayern M\u00fcnchen den Holl\u00e4nder Arjen Robben f\u00fcr etwa 25 Millionen Euro von Real Madrid.<\/p>\n
Am 29. August wird Arjen Robben im Heimspiel gegen den VFL Wolfsburg zur Halbzeit eingewechselt, schie\u00dft in Koproduktion mit Franck Ribery zwei Tore und bringt, frei nach Marcel Reif, „den Zirkus in die Stadt“.<\/p>\n
Am 27. April 2010, acht Monate nach Robbens Verpflichtung, gewinnt der FC Bayern das Halbfinal-R\u00fcckspiel gegen Olympique Lyon mit 3:0 und steht im Finale der UEFA Champions League.<\/p>\n
Was war passiert? Aus einer Saison, die bis zum \u00fcberragenden 4:1-Sieg \u00fcber Juventus Turin, welches den Einzug in die K.O.-Phase der K\u00f6nigsklasse bedeutete, zum Scheitern verurteilt war, wurde die beste seit fast einem Jahrzehnt. Robben war der entscheidende Faktor im Kampf um den Einzug ins Champions-League-Finale, erzielte im Achtelfinale gegen Florenz, im Viertelfinale gegen Manchester United und im Halbfinal-Hinspiel gegen Lyon entscheidende Treffer, als die Bayern strauchelten. Speziell sein unfassbares Tor im Old Trafford nach einer Ecke von Franck Ribery, das dem FCB das Weiterkommen sicherte, bleibt bis heute im kollektiven Fan-Ged\u00e4chtnis pr\u00e4sent.<\/p>\n
Ebenjener Ribery fehlte am 22. Mai 2010 im Champions League Finale in Madrid gegen das von Jose Mourinho trainierte Inter Mailand aufgrund einer Rotsperre. Das Spiel ging verloren, doch so wirklich deprimiert schien man in M\u00fcnchen nicht zu sein, schlie\u00dflich war man wieder wer. Eine \u00dcberraschungsmannschaft, die einen f\u00fcr den deutschen Fu\u00dfball v\u00f6llig neuen und kultivierten Spielstil an den Tag legte, au\u00dferdem hatte man endlich wieder einen Superstar: Arjen Robben.<\/p>\n
Auch im Kampf um die deutsche Meisterschaft, in dem man noch im November 2009 schlechter dastand als unter dem mit Pauken und Trompeten gefeuerten Klinsmann zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres, war Robben Bayern M\u00fcnchens „X-Faktor“. 16 Tore und 7 Torvorlagen standen am Ende der Saison bei nur etwa 1800 Einsatzminuten f\u00fcr ihn zu Buche. Etliche entscheidende Punkte sicherte er den M\u00fcnchnern.<\/p>\n
Im DFB-Pokal schoss er sie nach einem hart umk\u00e4mpften Spiel auf Schalke in der Verl\u00e4ngerung nach einem 50 Meter-Solo ins Endspiel nach Berlin, das man \u00fcberlegen mit 4:0 gegen Werder Bremen gewann. Man muss sich tats\u00e4chlich mal vorstellen, dass diese Mannschaft, die bis in den Winter hinein mehr von Spiel zu Spiel stolperte als irgendwie \u00fcberlegen wirkte, gerade mal einen Sieg gegen Inter Mailand vom gro\u00dfen, geradezu mystifizierten Triple entfernt war.<\/p>\n
Diese Erfolge bewogen auch Robbens Pendant auf der linken Au\u00dfenbahn, den Franzosen Franck Ribery, dazu, seinen eigentlich 2011 auslaufenden Vertrag um f\u00fcnf Jahre zu verl\u00e4ngern. Schwer vorstellbar, dass der quirlige Dribbler, der seit \u00fcber einem Jahr mit einem Wechsel zu Real Madrid kokettierte, ohne Aussicht auf internationale Erfolge einen neuen Kontrakt unterzeichnet h\u00e4tte.<\/p>\n
Die Bayern standen also am Ende mit einer Saison da, die das Pr\u00e4dikat „Erwartungen \u00fcbertroffen“ verdient, auch wenn es zum ganz gro\u00dfen Wurf (noch) nicht gereicht hatte. Wie w\u00e4re die Saison jedoch ohne den niederl\u00e4ndischen Last-Minute-Neuzugang verlaufen? Klar ist wohl: Die Bayern h\u00e4tten das Champions League-Finale nicht erreicht.<\/strong> Zu exklusiv war Robbens Rolle gegen Lyon, in Manchester und vor allem in Florenz, als sich der Rekordmeister und speziell dessen Hintermannschaft in desolater Form pr\u00e4sentierte.<\/p>\n So war man auf ein Traumtor von Robben angewiesen, wenige Augenblicke nachdem die Fiorentina durch den jungen Stefan Jovetic mit 3:1 in F\u00fchrung ging. Auch in den nationalen Wettbewerben h\u00e4tte man deutlich gr\u00f6\u00dfere Probleme<\/strong> bekommen. Der niederl\u00e4ndische Rechtsau\u00dfen entschied das Halbfinale gegen Schalke 04 mit seinem Sololauf im Alleingang und sicherte den Bayern immer wieder wichtige Punkte in der Bundesliga.<\/p>\n Tats\u00e4chlich kann man davon ausgehen, dass Louis van Gaal seine erste Saison als Bayern-Trainer vielleicht nicht h\u00e4tte zu Ende bringen k\u00f6nnen,<\/strong> zu sehr ben\u00f6tigte er schon damals den Erfolg, um die Unstimmigkeiten, die in der erfolglosen Saison 2010\/2011 zu handfesten Konflikten mit Spielern und Verantwortlichen und zu seiner Entlassung f\u00fchrten, zu beschwichtigen und zu verdecken.<\/p>\n Infolgedessen h\u00e4tten die Bayern nicht wie in der Realit\u00e4t, animiert vom Erfolg im Jahr 2010, bedingungslos weiter auf dem von van Gaal etablierten Positionsfu\u00dfball, inspririert vom besonders von holl\u00e4ndischen Trainern gepredigten „Totaalvoetbal“, aufgebaut. Das f\u00fcr die M\u00fcnchner inzwischen identifikationsstiftende Spielsystem w\u00e4re also wohl nicht nachhaltig etabliert worden<\/strong>.<\/p>\n Neben der taktischen Ausrichtung w\u00e4re auch eine weitere Waffe der Bayern, die ma\u00dfgeblich zu ihrem Wiederaufstieg zur europ\u00e4ischen Spitzenmannschaft beitrug, in der uns bekannten Form niemals entstanden: Das Duo aus Arjen Robben und Franck Ribery, bekannt als „Robbery“, bildet seit 2009 die wohl st\u00e4rkste und gef\u00e4hrlichste Fl\u00fcgelzange der Welt. Ohne Robbens Verpflichtung und den daraus resultierenden Erfolgen w\u00e4re den Bayern aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mal Ribery erhalten geblieben<\/strong>. Beide Tore im Champions League-Finale 2013 im Londoner Wembleystadion gegen Borussia Dortmund resultierten aus Geniestreichen der Kombination Ribery-Robben. Allein daran erkennt man deren Wichtigkeit f\u00fcr den deutschen Rekordmeister, damals wie heute.<\/p>\n Wenn man den Faden also etwas weiter spannen m\u00f6chte, h\u00e4tte der FCB auch heute nach 2001 immer noch nicht den Henkelpott gewonnen<\/strong>. Vielleicht w\u00e4re die Deutsche Nationalmannschaft 2014 in Brasilien ohne die enorme internationale Erfahrung und Abgezocktheit der Champions League-Sieger von 2013 (Manuel Neuer, Jerome Boateng, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Thomas M\u00fcller) gar kein Weltmeister geworden.<\/p>\n Vielleicht h\u00e4tten die Bayern sich ein Jahr sp\u00e4ter, also nach der hypothetischen, erfolglosen Saison 2009\/2010 mit einem neuen Fl\u00fcgelspieler der Marke „Superstar“ verst\u00e4rkt. Es wird gemunkelt, dass der Belgier Eden Hazard<\/strong> (heute Chelsea London, Marktwert ca. 60 Millionen Euro) den M\u00fcnchnern in den Jahren 2010 und 2011 mehrfach angeboten wurde, man jedoch aufgrund der hervorragenden Besetzung der Au\u00dfenpositionen ablehnte.<\/p>\n Doch dies sind dann Spekulationen, die letztlich \u00fcber zu viele Variablen verf\u00fcgen, um sie ann\u00e4hernd zweifelsfrei begr\u00fcnden zu k\u00f6nnen.<\/p>\n Festhalten kann man jedoch: Die Verpflichtung und die Leistung von Arjen Robben war wie ein Katalysator f\u00fcr die Entwicklung der Bayern hin zum Mitfavoriten in der Champions League. Robben hat den kometenhaften Aufstieg des FCB in der ersten H\u00e4lfte des Jahres 2010 ma\u00dfgeblich beeinflusst und vorangetrieben. Ohne ihn st\u00fcnde der FC Bayern M\u00fcnchen von den Erfolgen in j\u00fcngerer Vergangenheit und der aktuellen Leistungspotenz her nicht da, wo er heute steht.<\/p>\n Und so war der verpatzte Saisonstart 2009\/2010 letztlich ein Segen f\u00fcr den FC Bayern M\u00fcnchen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Die uns bekannte Geschichte des Fu\u00dfballs scheint oft wie in Stein gemei\u00dfelt. Umso interessanter ist es, die Geschichte einfach mal umzuschreiben und sich ein Szenario auszumalen, dass man sich als Fu\u00dfballfan im Jahre 2015 nur schwer vorstellen kann. Wo w\u00fcrde heute zum Beispiel der FC Bayern stehen, wenn Arjen Robben nie zu den M\u00fcnchnern gewechselt w\u00e4re?<\/p>\n","protected":false},"author":4,"featured_media":5974,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[8],"tags":[11],"yoast_head":"\nKein Robben, kein Robbery<\/h3>\n