Nach dem Abstieg von Energie Cottbus 2009 gab es kein ostdeutsches Team mehr in der 1. Bundesliga. Bekannterma\u00dfen versucht RB Leipzig, das auf lange Sicht zu \u00e4ndern. Nicht jeder kann sich mit diesem Gedanken anfreunden. Tats\u00e4chlich lebt der Fu\u00dfball in Leipzig derzeit aber mehr denn je. Und das liegt auch \u2013 aber nicht nur \u2013 an Dietrich Mateschitz.<\/p>\n
N\u00fcrnberg, 31.05.2009, 17:18 Uhr, Grundig Stadion. Relegation-R\u00fcckspiel. H\u00e4ngende K\u00f6pfe, leere Blicke, Tr\u00e4nen auf dem Platz und im G\u00e4ste-Block: Abstieg. Vor knapp sechs Jahren verlie\u00df mit dem FC Energie Cottbus das letzte ostdeutsche Team die gro\u00dfe Fu\u00dfball-B\u00fchne Bundesliga. Seitdem herrscht Tristesse in den neuen Bundesl\u00e4ndern, man lechzt nach einem neuen „Rising Star“ am Fu\u00dfball-Himmel. Ein Club, der es wieder mit den Gro\u00dfen des Landes aufnehmen kann und den Glanz fr\u00fcherer Tage wieder zur\u00fcckbringt.<\/p>\n
Eine Stadt, die dieses Gef\u00fchl einer ganzen Region wie keine andere verk\u00f6rpert ist zweifelsfrei Leipzig. In der heutigen Zeit verbindet man die Stadt in Nordsachsen auf Anhieb mit dem Brause-Club der Roten Bullen. Doch dabei hat man viel mehr zu bieten, als das Millionen-Projekt von Dietrich Mateschitz. In den folgenden Zeilen wird die Leipziger Fu\u00dfballszene mal ein wenig genauer unter die Lupe genommen und man wird feststellen \u2013 von Deutschen Meistern, \u00fcber Fu\u00dfballprojekte bis hin zum ganz gro\u00dfen Geld ist hier alles geboten.<\/p>\n
Beginnen wir unsere Reise im Stadtteil Leutzsch. Hier ist doch tats\u00e4chlich ein ehemaliger DDR-Oberligameister beheimatet: die BSG Chemie Leipzig. In den Jahren 1951 und 1964 errangen die Gr\u00fcn-Wei\u00dfen jeweils den Titel in der h\u00f6chsten ostdeutschen Spielklasse. Infolge der sportlichen Neuorganisation nach dem Mauerfall entstand aus einer Fusion heraus der FC Sachsen-Leipzig. Doch in den kommenden Jahren konnte man nicht mehr an die glorreichen Zeiten ankn\u00fcpfen und auch finanziell geriet man mehr und mehr in unruhiges Fahrwasser.<\/p>\n
Die Folge: Der Insolvenzantrag und die daraus resultierende Einstellung des Spielbetriebs im Jahre 2011. Aber tot war der Leutzscher Fu\u00dfball damit nicht. Die 1997 wiedergegr\u00fcndete BSG hatte in der Saison 2008\/2009 den Spielbetrieb in der 3. Kreisklasse wieder aufgenommen und hauchte dem alt-ehrw\u00fcrdigen Alfred-Kunze-Sportpark (Fassungsverm\u00f6gen: 18.000 Pl\u00e4tze) wieder neues Leben ein. Heute kicken die Chemiker in Sachsens h\u00f6chster Liga um den Aufstieg mit und begr\u00fc\u00dfen zu den Heimspielen regelm\u00e4\u00dfig \u00fcber 1.000 Zuschauer im damaligen Hexenkessel, welcher noch heute einen gewissen Charme verspr\u00fcht.<\/p>\n
Traditionsreich geht es auch im s\u00fcd\u00f6stlichen Teil der Stadt weiter. So stellt der 1. FC Lokomotive Leipzig immerhin den Nachfolgeclub des 1. Deutschen Meisters VfB Leipzig, welcher gleich dreimal den Titel erspielen konnte (1903, 1906, 1913). Aber auch die Lokomotive ist bei weitem kein unbeschriebenes Blatt. So z\u00e4hlt die Elf aus Probstheida zu den erfolgreichsten Vereinen der DDR-Oberliga, die nicht nur national eine Macht darstellte (4x FDGB-Pokalsieger, 3x DDR-Vizemeister), sondern auch in Europa von sich reden machte.<\/p>\n
Mit 77 Europapokal-Spielen kam man 1987 gar in den Genuss eines Finales, was man jedoch gegen den niederl\u00e4ndischen Spitzenclub Ajax Amsterdam mit 0:1 verlor. Nach der Integration der ostdeutschen Vereine im gesamtdeutschen Sport (1990) und einer erneuten Namens\u00e4nderung in „VfB Leipzig“ ging es nach einem kurzen Auftritt in der Bundesliga (1993\/1994) fortl\u00e4ufig bergab. Durch den ausbleibenden Erfolg und die daraus resultierenden fehlenden Einnahmen blieb im Jahre 2004 auch hier nur noch der Weg in die Insolvenz.<\/p>\n
Die abermalige Gr\u00fcndung des 1. FC Lok bedeutete einen Neuanfang und soll die Blau-Gelben mit ihrem geschichtstr\u00e4chtigen Bruno-Plache-Stadion und den polarisierenden Fans in den folgenden Jahren wieder in den bezahlten Fu\u00dfball f\u00fchren. Mit Ex-Nationalspieler Mario Basler als Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer an der Spitze und dem ehemaligen Bundeliga-Profi Heiko Scholz auf dem Trainerposten k\u00e4mpft die Lokomotive in dieser Spielzeit wieder um den Aufstieg in die Regionalliga.<\/p>\n
Wenn man in der Leipziger Fu\u00dfballszene die Strahlkraft der beiden historischen Clubs BSG Chemie und 1. FC Lok jedoch einmal ausblendet, findet man immer wieder kleinere Fu\u00dfballprojekte, bei denen man versucht den kr\u00e4nkelnden Fu\u00dfball in dieser doch so sportbegeisterten Stadt in die richtigen Bahnen zu hieven. Ein Beispiel ist die SG LVB Leipzig, welche sich nach der Wende die Entwicklung des Breitensports auf die Fahnen geschrieben hatte.<\/p>\n
Im WM-Jahr 2006 sollte es dann doch ein wenig mehr sein und das Team der Verkehrsbetriebe r\u00fcstete auf und erwirkte den Aufstieg in die Bezirksliga. Mit Altmeister Khvicha Shubitidse liegt seit 2011 gar ein Hauch Bundesliga \u00fcber der Sportanlage der LVB-Kicker. Schlie\u00dflich dribbelte der Georgier 46 Mal in der 2. Liga f\u00fcr Erzgebirge Aue und den FC St. Pauli auf. Nach seiner aktiven Karriere findet man den 40-J\u00e4hrigen heute auf dem Trainerstuhl, doch den bevorstehenden Abstieg in die Kreisebene kann wohl auch er nicht verhindern.<\/p>\n
Das zweifelsfrei spektakul\u00e4rste Projekt ist wohl derzeit der FC International Leipzig. Und der Name ist Programm: Das Team, was erst im Sommer 2013 gegr\u00fcndet wurde und das Spielrecht des SV See 09 f\u00fcr die Landesliga-Saison 2014\/2015 \u00fcbernahm, setzt sich aus Kickern aus der ganzen Welt zusammen. Den Grund findet man in Mitgr\u00fcnder und Ex-Profi Heiner Backhaus, der in seiner beachtlichen Vita viele Clubs in etlichen L\u00e4ndern aufweist.<\/p>\n
Mit dem Gro\u00dfteil des heutigen Kaders hat er selbst noch aktiv zusammengespielt. Und so finden sich mehrere Spanier, ein Grieche, ein Litauer, ein Japaner, ein US-Amerikaner und eine Handvoll Deutsche unter den Trainierenden. Alle Angaben sind aber freilich ohne Gew\u00e4hr, da die Spielgenehmigungen nach und nach eintrudeln und so auch die Namen auf den Spielberichtsb\u00f6gen st\u00e4ndig wechseln. Die Verst\u00e4ndigung untereinander? Kein Problem, die Sprache des Fu\u00dfballs spricht jeder und so harmonieren die Kicker in orangenen Trikots mit einem Einhorn auf der Brust auf dem Rasen schon sehr gut.<\/p>\n
Mit Rang zwei in der Landesliga konkurrieren die Unicorns mit dem bereits erw\u00e4hnten Traditionsclub BSG Chemie und schicken sich an, den Sprung in die Oberliga zu bew\u00e4ltigen. Nur die Suche nach einer geeigneten Heimspielst\u00e4tte gestaltet sich schwierig, da nat\u00fcrlich kein Verein sein heiliges Gr\u00fcn f\u00fcr den „Ph\u00f6nix aus der Asche“ aufgeben will. So trug Inter in der laufenden Spielzeit bereits auf drei verschiedenen Pl\u00e4tzen seine Heimspiele aus und ist derzeit in Schkeuditz f\u00fcndig geworden.<\/p>\n
Die weitere Entwicklung der Club-Strukturen bleibt abzuwarten, ebenso wie die Kaderplanung f\u00fcr die kommende, wom\u00f6glich sogar Oberliga-Saison. Doch es gibt nicht nur F\u00fcr-Sprecher dieses aus dem Boden gestampften Vereins. Denn h\u00f6rt man sich auf Leipzigs Sportpl\u00e4tzen mal um, sehen viele Leute in Inter einen zu sehr modellierten Club, welcher den ehrw\u00fcrdigen Vertretungen von Lok und Chemie Konkurrenz machen k\u00f6nnte und sich so an zweiter Stelle hinter dem m\u00e4chtigen RB positioniert.<\/p>\n
Wo wir dann auch schlussendlich beim so bundesweit unliebsamen RasenBallsport Leipzig angekommen w\u00e4ren. 2009 startete das Spielzeug von Multi-Milliard\u00e4r Dietrich Mateschitz mit dem Startrecht des SSV Markranst\u00e4dt in der Oberliga und stieg sofort auf. Doch in der Regionalliga hakte es ein wenig und so verweilte man ungewollt in jener Spielklasse. Drei Jahre, zwei Aufstiege und etliche Personalien sp\u00e4ter marschiert der RB-Express immer schneller und in immer gr\u00f6\u00dfer werdenden Dimension in Richtung Bundesliga.<\/p>\n
Der Aufstieg ins Oberhaus ist schon lange nicht mehr nur ein Traum und auch wenn man das Ziel in dieser Saison wahrscheinlich noch verfehlen wird (aktuell sind es sechs Punkte R\u00fcckstand auf den Relegationsplatz), wird man in naher Zukunft den Marken-Club RB nicht aufhalten k\u00f6nnen. J\u00fcngstes Beispiel ist der Transfer-Coup von Junioren-Nationalspieler Davie Selke, welcher f\u00fcr 8 Millionen Euro (plus X) von Werder Bremen an die Elster wechseln wird. Schon in der Winterpause w\u00fctete man geh\u00f6rig auf dem Transfermarkt und verpflichtete mal eben Spieler f\u00fcr Abl\u00f6sesummen im zweistelligen Millionenbereich, um den ersehnten Aufstieg doch noch realisieren zu k\u00f6nnen.<\/p>\n
F\u00fcr viele Fu\u00dfball-Romantiker sind solche Aktionen, sowie der gesamte Verein ein riesiger Bluff, der den geliebten Sport zu einer Zahlenschubserei werden l\u00e4sst. Doch f\u00fcr die Stadt, die Region, einen ganzen Landesteil ist es eine Chance. Eine Chance auf sportlich bessere Zeiten mit Bundesligaspielen, vielen Zuschauern und einem wirtschaftlichen Aufschwung. Nicht zuletzt hat RB auch ein riesiges Jugendzentrum aufgebaut, in der die Talente von morgen wachsen und gedeihen sollen.<\/p>\n
Nicht jeder von ihnen wird den ganz gro\u00dfen Sprung schaffen und schlie\u00dft sich einem umliegenden Verein, wom\u00f6glich den eingestaubten Riesen von Chemie oder Lok, an. „Endlich passiert was in Leipzig“ h\u00f6rt man oft, wenn man die Red Bull Arena besucht. Ein Grund warum der Brause-Club immer mehr Zuschauer f\u00fcr sich gewinnt und das Stadion trotz einiger Boykotts der G\u00e4stefans meist sehr gut gef\u00fcllt ist.<\/p>\n
B\u00f6se Zungen sprechen von Erfolgsfans, die sich einzig und allein des kometenhaften Aufstiegs erfreuen und die wahrhaftig nichts mit diesem Team verbindet. Aber wahrscheinlich hat Fu\u00dfball-Leipzig genau diesen gro\u00dfen Vorreiter gebraucht, damit sich im Schatten des \u00fcberm\u00e4chtigen RBL die \u00fcbrigen Vereine entwickeln k\u00f6nnen. Nicht jeder kann sich mit diesem Gedanken anfreunden, aber neben der Tradition muss auch immer Platz f\u00fcr etwas Neues sein. Der Fu\u00dfball in Leipzig lebt mehr denn je und wird auch in den kommenden Jahren weiter wachsen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Nach dem Abstieg von Energie Cottbus 2009 gab es kein ostdeutsches Team mehr in der 1. Bundesliga. Bekannterma\u00dfen versucht RB Leipzig, das auf lange Sicht zu \u00e4ndern. Nicht jeder kann sich mit diesem Gedanken anfreunden. Tats\u00e4chlich lebt der Fu\u00dfball in Leipzig derzeit aber mehr denn je. Und das liegt auch \u2013 aber nicht nur \u2013 an Dietrich Mateschitz.<\/p>\n","protected":false},"author":6,"featured_media":5977,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[15],"tags":[11,14,17],"yoast_head":"\n