Es sind Szenen wie in einem Wald nahe Frankfurt am Main. Eine Ansammlung steinreicher Unternehmensvertreter versucht Jungwild zu k\u00f6dern. Das Jungwild ist in diesem Fall ein 16 Jahre alter norwegischer Fu\u00dfballspieler, der auf den Namen Martin \u00d6degaard h\u00f6rt. Der Jugendwahn im europ\u00e4ischen Fu\u00dfball ist kein neues Diskussionsthema, nimmt aber gef\u00fchlt immer weiter zu. Ein Kommentar von Philip Hell.<\/p>\n
\u00d6degaard befindet sich seit November letzten Jahres auf Wanderschaft durch Europa, um sich jeden an ihm interessierten Verein genauer anzuschauen. Man kommt nicht drum herum, das Ganze makaber zu finden. Um ehrlich zu sein, hoffe ich, dass mein Vater nicht Wind von der Sache bekommt, sonst muss ich mir am Ende wieder einen viertelst\u00fcndigen Vortrag dar\u00fcber anh\u00f6ren, wie pervers Fu\u00dfball im 21. Jahrhundert ist.<\/p>\n
Das Schlimmste daran w\u00e4re, dass ich ihm nicht widersprechen k\u00f6nnte. Einen H\u00f6hepunkt erreichte die Perversion als Manchester United Ende 2011 einen 5-J\u00e4hrigen verpflichtete. Das Sahneh\u00e4ubchen bei der Geschichte ist die Tatsache, dass der Junge City-Fan ist, und es als Schmach empfunden hat, bei ManU trainieren zu m\u00fcssen.<\/p>\n
Man mag dies bei dem Kerlchen s\u00fc\u00df finden \u2013 wenn allerdings ein 18-J\u00e4hriger eine solche Aussage t\u00e4tigt, kann einem schon mal das Kotzen kommen. Wenn dieser junge Mann dann auch noch von Borussia M\u00f6nchengladbach zum FC Bayern M\u00fcnchen wechselt, weil er sich dort bessere sportliche Aussichten verspricht, kann man im Prinzip nur zu dem Schluss kommen, dass Sinan Kurt sich entweder nicht wirklich \u00fcber den Kader des FC Bayern informiert hat oder dass er sich f\u00fcr den gr\u00f6\u00dften Fu\u00dfballspieler des Universums h\u00e4lt.<\/p>\n
Auf der anderen Seite kann man schon mal schwach werden, wenn die Big Player locken. Jan Schlaudraff oder Breno k\u00f6nnen ein Lied davon singen. Letzterer ist ein gutes Beispiel f\u00fcr das Schicksal, welches viele junge Brasilianer ereilt. Sie haben Heimweh. Verst\u00e4ndlich. Wer w\u00fcrde es im Nachhinein nicht bereuen, seinen Stammplatz an der Copacabana gegen einen Stammplatz auf der Bayernbank getauscht zu haben. Auch wenn das Beispiel Breno doch sehr extrem ist, m\u00fcssen die Vereine mehr darauf achten, dass sie die jungen Spieler, und nicht nur die, besser betreuen und ihnen weniger Verantwortung zumuten.<\/p>\n
Doch auch der kleine Nachbar des FC Bayern, der TSV 1860 M\u00fcnchen, sonst f\u00fcr seine exzellente Jugendarbeit bekannt, hat sich diese Saison einen Fehltritt erlaubt. Es war mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss, einen 18-J\u00e4hrigen zum Kapit\u00e4n zu machen. Julian Weigl hat zweifellos eine gro\u00dfe Zukunft vor sich, aber es ist normal f\u00fcr einen 18-J\u00e4hrigen, sich mal zu betrinken und dem Taxifahrer einen Schwenk aus seinem Leben zu erz\u00e4hlen.<\/p>\n
Glaubt mir, das ist mein Spezialgebiet. Doch bei mir passiert das, weil ich mir vor lauter Langeweile nichts Besseres f\u00fcr den Samstag \u00fcberlegen konnte, als einen Kasten Bier zu leeren. Julian Weigls Beweggr\u00fcnde waren andere, es war das Zusammenwirken von enormem Druck und Frust, das letztendlich in einer Mischung aus Wodka und Energygetr\u00e4nken endete.<\/p>\n
Im Nachhinein betrachtet k\u00f6nnte man sagen, dass Alkohol auf lange Sicht die beste L\u00f6sung des Problems war. Julian Weigl w\u00e4re unter den Umst\u00e4nden, unter denen sich die L\u00f6wen diese Saison befinden, vielleicht sogar an seiner Kapit\u00e4nsbinde zerbrochen. Was man durchaus als Trag\u00f6die f\u00fcr Fu\u00dfballdeutschland bezeichnen k\u00f6nnte. Weigl hat die besten Voraussetzungen daf\u00fcr, Nachfolger von Bastian Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld der Nationalmannschaft zu werden. Diesem hat eine feuchtfr\u00f6hliche Poolrunde mit seiner „Cousine“ auch nicht geschadet.<\/p>\n
Es liegt nun an den Vereinen, die Talente ihrem Alter entsprechend zu behandeln. Doch auch die Talente m\u00fcssen sich an die eigene Nase fassen und sich \u00fcberlegen, ob es wirklich so schlimm ist, bei seinem Stammklub zu bleiben, keinen Porsche zu fahren, daf\u00fcr aber absoluter Publikumsliebling zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass einige Jugendspieler dem Ruf der Loreley widerstehen und sich Zeit lassen, um den richtigen Weg f\u00fcr sich zu erkennen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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