Samstag fand zum 236. Mal das „ewige Derby“ von Belgrad statt. Das traditionsreiche Duell zwischen Partizan Belgrad und Roter Stern Belgrad hat eine bewegte Geschichte, die weit \u00fcber den Fu\u00dfball hinaus geht. Die Begegnung begeistert die Belgrader Fu\u00dfball-Herzen und spaltet die Millionen-Stadt in zwei Lager. Inside 11 wirft einen Blick auf die Geschichte und die Gegenwart der beiden Teams und liefert Eindr\u00fccke der Stimmung rund um das Spiel.<\/p>\n
Knappe zwei Stunden vor Anpfiff, ungef\u00e4hr eine Viertelstunde zu Fu\u00df vom Stadion entfernt, wurde dem Fu\u00dfball-Touristen die Brisanz des Spiels zum ersten Mal deutlich gemacht. Schwer bewaffnete Polizisten waren an jeder Busstation anzutreffen, die Menge scharf beobachtend, dazu kreiste ein Helikopter fortlaufend \u00fcber dem Stadtteil „Stadion“. Viele Caf\u00e9s, die sich an der Hauptstra\u00dfe befinden, stellten den Betrieb vorzeitig ein. Es konnte dem Zuschauer, der sich in der serbischen Fanszene nicht auskennt, durchaus mulmig werden nach den ersten Eindr\u00fccken.<\/p>\n
Doch entgegen aller Bef\u00fcrchtungen ging das Derby ruhig \u00fcber die B\u00fchne, der fl\u00fcchtende Mann im schwarzen Hoodie mit einer stark blutenden Platzwunde an der Stirn sollte ebenso eine Ausnahme bleiben, wie der kurze Augenblick im Stadion, als Teile der beiden Fanlager den direkten Austausch suchten. Die Bem\u00fchungen der Sicherheitskr\u00e4fte, nach dem skandal\u00f6sen Spielabbruch im EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien im selben Stadion, keine zweite Welle negativer Berichterstattung aufkommen zu lassen, trug Fr\u00fcchte.<\/p>\n
Auch ohne Ausschreitungen wurde dem Au\u00dfenstehenden aber schnell klar, dass das Kr\u00e4ftemessen der beiden Vereine den Fans viel bedeutet \u2013 Belgrader Zeitungen hatten das Spiel immerhin als „Kampf um Serbien“ angepriesen \u2013 wenngleich die fetten Jahre des serbischen Vereinsfu\u00dfball nunmehr etwas zur\u00fcck liegen.<\/p>\n
Gel\u00e4ufig ist den Fu\u00dfballkennern hierzulande wohl eher noch Roter Stern Belgrad. Diese Mannschaft gilt als der Verein in Osteuropa, ist serbischer Rekordmeister und -pokalsieger, zudem neben Steaua Bukarest der einzige Club, der den Europapokal der Landesmeister gewinnen konnte (1991).<\/p>\n
Der Verein entstand zum Ende des Zweiten Weltkriegs aus der SK Jugoslavija, dem Hausverein der kommunistischen Partei heraus, w\u00e4hrend Partizan Belgrad \u2013 praktisch zeitgleich gegr\u00fcndet \u2013 ein Armeeverein war. Die politischen Gegens\u00e4tze verloren allerdings zunehmend an Bedeutung und heutzutage finden sich in beiden Fanlagern vermehrt rechtsradikale Gruppierungen.<\/p>\n
Beide Vereine hatten ihre Hochphasen. Partizan dominierte den Weltfu\u00dfball zwar nie, mischte allerdings in den 1950er- und 1960er-Jahren munter mit und erreichte mehrere Endphasen gro\u00dfer Wettbewerbe. Sie verpassten den ganz gro\u00dfen Wurf nur knapp, 1966 unterlagen sie im Finale des Europapokals der Landesmeister Real Madrid trotz F\u00fchrung mit 1:2. Roter Stern hingegen gelang der Titelgewinn 1991. Nachdem sie \u00fcber 15 Jahre in Europas Spitzenfu\u00dfball mitgemischt haben, war das die Kr\u00f6nung der speziell guten \u00c4ra zu Beginn der 1990er-Jahre.<\/p>\n
Beide Vereine setzten zeitlebens fast ausschlie\u00dflich auf jugoslawische bzw. serbische Spieler und ebneten auch vielen den Weg in die fu\u00dfballerische Elite. Nemanja Vidic, Dejan Stankovic und Marko Pantelic entstammen beispielsweise der Talentschmiede Roter Sterns, w\u00e4hrend Mateja Kezman ebenso als ehemaliger Partizan-Spieler aktiv war, wie es Adem Ljajic von der AS Roma und Stefan Jovetic von Manchester City jetzt sind.<\/p>\n
Aktuell spielen kaum noch bekannte Spieler bei den Belgrader Vereinen, allerdings setzen beide Clubs konsequent auf ihre Jugend und versuchen, serbische Talente auszubilden. So startete Roter Stern ins Derby doch mit dem 16-j\u00e4hrigen Luka Jovic und dem zwei Jahre \u00e4lteren Mihailo Ristic und Partizan wechselte Danilo Pantic (17) und Andrija Zivkovic (18) immerhin ein. Gut m\u00f6glich, dass von diesen sehr jungen Spielern demn\u00e4chst einer nach Westeuropa wechselt.<\/p>\n
Bleibende Eindr\u00fccke hinterl\u00e4sst der Besuch des „ewigen Derbys“ allemal. Das Stadion Partizan, nur wenige hundert Meter von der Heimst\u00e4tte von Roter Stern gelegen, ist stolze 65 Jahre alt \u2013 was sich an den sanit\u00e4ren Anlagen und den br\u00f6ckelnden Mauern deutlich zeigt. Auf Nachfrage, wo man seine Pl\u00e4tze finden k\u00f6nne, erntet die Derby-Jungfrau nur verwirrtes Kopfsch\u00fctteln: „This is not England, sit where you want“. Alles klar. Bedeutung haben Sitzpl\u00e4tze sowieso nicht, denn beim Derby verbringen alle Zuschauer das Spiel stehend, auch diejenigen auf den Haupttrib\u00fcnen.<\/p>\n
Bereits 45 Minuten vor dem Spiel waren die Fanlager beinahe vollz\u00e4hlig in ihren Kurven versammelt. Wenngleich die sportliche Bedeutung dieses Spiels als gering einzustufen war, kochte die Stimmung. Das Pfeifkonzert, das die Totengr\u00e4ber (so werden die Partizan-Fans genannt) beim Einlauf der Spieler von Roter Stern von sich gaben, war beinahe so laut wie der tosende Applaus, den die Partizan-Spieler im Gegenzug ernteten.<\/p>\n
Kurz nach Anpfiff z\u00fcndeten beide Kurven leicht versetzt ihre Pyrotechnik. Jeweils \u00fcber 20 Feuerwerksk\u00f6rper leuchteten gleichzeitig auf und das Spiel musste f\u00fcr f\u00fcnf Minuten unterbrochen werden. Selbiges wiederholte sich zu Beginn der zweiten Halbzeit. Von Pyrotechnik mag man halten, was man will \u2013 in diesem Fall war sie der Derby-Stimmung durchaus zutr\u00e4glich.<\/p>\n
Sportlich war die Partie allerdings kein Leckerbissen. Fu\u00dfball-\u00c4stheten d\u00fcrften die Unterbrechungen zu sch\u00e4tzen gewusst haben, lenkten sie doch ein wenig vom m\u00fcden Gekicke auf dem Rasen ab. Zwei gute Torchancen durfte man in der ersten Halbzeit vermerken, beide f\u00fcr die G\u00e4ste, jeweils entstanden durch grauenvolle Abwehrfehler von Partizan. Nach dem Seitenwechsel allerdings ging die Post ab. Partizan kam motiviert aus der Kabine und dr\u00e4ngte auf den F\u00fchrungstreffer. Zwei, drei gute Chancen wurden ausgelassen, wonach es in der 77. Spielminute zu einem Freisto\u00df von der Strafraumgrenze kam.<\/p>\n
Routinier Drincic und Youngster Zivkovic standen bereit zur Ausf\u00fchrung. Der junge Techniker lie\u00df Drincic den Vorzug, welcher den Ball mit Schmackes aufs Torwarteck drosch. Damit hatte Roter Stern-Torwart Rajkovic nicht gerechnet, er touchierte den Ball zwar noch, konnte ihm aber keine entscheidende Richtungs\u00e4nderung mehr geben und das Ding schlug im Winkel ein.<\/p>\n
Auf diesen Treffer folgte die totale Eskalation. Als h\u00e4tte Partizan gerade das dritte Mal in Folge die Champions League gewonnen, sprintete die gesamte Mannschaft in Richtung Kurve. Angef\u00fchrt vom strahlenden Torsch\u00fctzen \u2013 seines Trikots l\u00e4ngst entledigt \u2013 lie\u00dfen sich die Spieler von den ekstatischen Totengr\u00e4bern feiern. Nat\u00fcrlich wurden die n\u00e4chsten Fackeln entz\u00fcndet, um den ohrenbet\u00e4ubenden L\u00e4rm noch visuell zu unterstreichen.<\/p>\n
Da Roter Stern keine gef\u00e4hrliche Aktion mehr gelingen wollte, war dies auch der Schlusspunkt einer Partie, die zwar nicht durch fu\u00dfballerische Highlights zu bestechen wusste, wohl aber durch eine Emotionalit\u00e4t, die mehr als nur andeutete, welch gro\u00dfartige Partien sich schon in diesen „ewigen Derbys“ ereignet haben mussten und wieso es als das Spiel schlechthin in Osteuropa gilt.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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