85. Spielminute in Leverkusen: Roger Schmidt, Trainer von Bayer Leverkusen, ist in Rage. Fuchsteufelswild gestikuliert er in Richtung des vierten Offiziellen und schreit dabei deutlich h\u00f6rbar: „Der lacht sich doch tot. Und ihr fallt darauf herein!“ Doch was war passiert? Inside 11 mit dem Aufreger des Bundesliga-Spieltags und den passenden Fu\u00dfball-Regeln.<\/p>\n
Spielminute 85 in Leverkusen: Tin Jedvaj senst mit offener Sohle den Schalker Jan Kirchhoff von den Beinen. Schiedsrichter Manuel Gr\u00e4fe bekundete keinerlei M\u00fche bei der Entscheidungsfindung und stellte den jungen Kroaten direkt vom Platz. Dies allerdings war nicht Ausl\u00f6ser der Aufregung, sondern das Verhalten des Schalkers, welcher eigentlich das Opfer der Situation war.<\/p>\n
Jan Kirchhoff ging \u2013 klar getroffen durch Jedvaj \u2013 zu Boden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht h\u00e4mmerte er zweimal die Faust auf den Rasen und umklammerte seinen attackierten Kn\u00f6chel. Soweit war auch alles noch in Ordnung. Dann allerdings schielte Kirchhoff nach oben zu Gr\u00e4fe, welcher gerade in der Brusttasche nestelte um den roten Karton herauszuholen. Kaum war die Sanktion ausgesprochen, erhob sich Kirchhoff, um wieder am Spiel teilzunehmen und den Freisto\u00df auszuf\u00fchren. Seine Schmerzen mussten entweder durch Wunderheilung verflogen sein oder aber die herzerweichende Einlage des Schalkers war blo\u00dfe Theatralik. Letzteres erscheint doch wahrscheinlicher.<\/p>\n
Dies nun zu werten, ist nat\u00fcrlich schwierig. Festzuhalten bleibt, dass Kirchhoffs Schauspielerei rein gar nichts an Jedvajs grobem Foulspiel zu \u00e4ndern vermag. Dieses war deutlich \u00fcber der Grenze des Erlaubten und damit wurde er vollkommen zu recht vorzeitig unter die Dusche geschickt. Auch klar gesagt werden muss, dass Manuel Gr\u00e4fe sich dadurch kaum beeinflussen lie\u00df.<\/p>\n
Bereits an der Lautst\u00e4rke des Foulpfiffs war abzusehen, dass der Schiedsrichter mehr wahrgenommen hatte als ein allt\u00e4gliches Foulspiel. Gr\u00e4fe erkundigte sich auch nicht nach Kirchhoffs befinden, er sprach zuerst den Platzverweis gegen Jedvaj aus. Von daher ist \u2013 entgegen Schmidts Vorwurf \u2013 niemand auf Kirchhoffs Einlage „hereingefallen“.<\/p>\n
Obwohl diese unsportliche Aktion wohl keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung Gr\u00e4fes und damit den Spielverlauf hatte, soll sie dennoch angesprochen werden. Sie steht sinnbildlich f\u00fcr eine Unart, die schleichend Einzug in den Fu\u00dfballsport gefunden hat: den Versuch, den Schiedsrichter zu t\u00e4uschen. Dies \u00e4u\u00dfert sich in diversen Dimensionen. Spieler heben beispielsweise die Hand, obwohl sie sicher sind, dass sie selbst zuletzt am Ball waren, um die Spielfortsetzung zugesprochen zu bekommen. Sie zeigen schamlos auf den Ball und beteuern, ihn ganz sicher gespielt zu haben, obwohl Zeitlupen klar belegen, dass der Fu\u00df des Gegenspielers als einziges getroffen wurde.<\/p>\n
Die krasseste Form sind selbstredend Schwalben um Elfmeter zu schinden. Wie ein jeder wei\u00df, sind diese im Regelwerk auch ganz deutlich als Unsportlichkeit vermerkt und werden mit einer Verwarnung geahndet (FIFA-Regel 12).<\/p>\n
Die Formulierung besagter Regel 12 geht allerdings \u00fcber die reine „Schwalbe“ hinaus und ist f\u00fcr den Fall um Jan Kirchhoff sehr interessant. Dort hei\u00dft es n\u00e4mlich: „Ein Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen, wenn er versucht, den Schiedsrichter durch das Simulieren einer Verletzung oder eines angeblichen Fouls (Schwalbe) zu t\u00e4uschen.“ Der Zusatz, dass auch das Vort\u00e4uschen einer Verletzung eine Verwarnung nach sich ziehen darf und soll, ist den meisten Fu\u00dfballern unbekannt, da er von den Schiedsrichtern selten angewendet werden kann. Diese sind keine Mediziner und k\u00f6nnen kaum beurteilen, ob ein Spieler wirkliche Schmerzen und sich bei einem Foulspiel (leicht) verletzt hat oder ob er einfach sein schauspielerisches Talent ausspielt.<\/p>\n
Jan Kirchhoff tut in der strittigen Szene allerdings genau das, was die Regel meint. Er t\u00e4uscht klar Schmerzen vor und so wie er sich den Kn\u00f6chel h\u00e4lt, t\u00e4uscht er auch eine Verletzung vor und verh\u00e4lt sich definitiv unsportlich. H\u00e4tte Manuel Gr\u00e4fe dies so genau wahrnehmen k\u00f6nnen wie der angefressene Roger Schmidt, h\u00e4tte er sich eine Verwarnung von Jan Kirchhoff wohl auch vorstellen k\u00f6nnen.<\/p>\n
Dem Schiedsrichter ist aber kein Vorwurf zu machen, denn auch noch darauf achten zu m\u00fcssen, sprengt die Anforderungen. Auch der vierte Offizielle hatte wohl genug Arbeit, den Leverkusener Trainer in seiner Zone zu halten. Aus Sicht des idealistischen, nach Fairness strebenden Betrachters ist dies nat\u00fcrlich schade. Es w\u00e4re f\u00fcr die Zukunft w\u00fcnschenswert, wenn von irgendeiner Seite \u2013 sei es von einem Schiedsrichter oder gar auf Verbandsebene \u2013 ein Zeichen gegen Unsportlichkeiten dieser Art gesetzt w\u00fcrde. Dem Fu\u00dfball w\u00fcrde es nur gut tun.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
85. Spielminute in Leverkusen: Roger Schmidt, Trainer von Bayer Leverkusen, ist in Rage. Fuchsteufelswild gestikuliert er in Richtung des vierten Offiziellen und schreit dabei deutlich h\u00f6rbar: „Der lacht sich doch tot. Und ihr fallt darauf herein!“ Doch was war passiert? Inside 11 mit dem Aufreger des Bundesliga-Spieltags und den passenden Fu\u00dfball-Regeln.<\/p>\n","protected":false},"author":7,"featured_media":6056,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[21],"tags":[27],"yoast_head":"\n