Profifu\u00dfball in Bayern, das sind nicht nur der deutsche Rekordmeister, der Stadtrivale 1860 M\u00fcnchen, der FC Augsburg und die fr\u00e4nkischen Rivalen N\u00fcrnberg und F\u00fcrth. Derzeit ist der FC Ingolstadt dabei, sich bundesweit einen Namen zu machen. Der Spitzenreiter der zweiten Liga hat die Chance, sich in den oberen Tabellenregionen festzuspielen. Von der Bundesliga spricht an der Donaustadt allerdings niemand \u2013 zumindest bis jetzt nicht.<\/p>\n
Das Verb „verschanzen“ oder der Begriff „sich verschanzen“ hat in der deutschen Sprache keine besonders gute Konnotation. Es zielt darauf ab, dass Menschen zum Schutz eine Deckung aufsuchen, was leicht mit Furchtsamkeit verwechselt wird, was nat\u00fcrlich Quatsch ist. In Deckung gehen war auch in fr\u00fcheren Jahrhunderten schon immer schlauer, als sich in Gefahr zu begeben. Ingolstadt ist eine Stadt, die seit dem 16. Jahrhundert mit dicken Mauern bewehrt gewesen ist. Im Kriegsfall verschanzten sich die Einwohner dahinter. So kam es, dass die Ingolst\u00e4dter in Bayern schon bald als „Schanzer“ angesprochen wurden, was allerdings meist bewundernd gemeint war.<\/p>\n
Bewundernd, das ist dann auch die richtige Vokabel f\u00fcr die Art und Weise, wie im Herbst 2014 \u00fcber Ingolstadt gesprochen wird, jedenfalls dann, wenn es um Fu\u00dfball geht. Neun Spieltage sind in der zweiten Bundesliga absolviert, und von der Tabellenspitze gr\u00fc\u00dfen \u2013 die bis jetzt als einziges Team der Liga unbesiegten Schanzer. 19 Punkte und 16:6 Tore stehen f\u00fcr die M\u00e4nner aus der zweitgr\u00f6\u00dften Stadt Oberbayerns zu Buche. Nur nach dem ersten, dem zweiten, dem dritten und dem siebten belegte der FC Ingolstadt keinen direkten Aufstiegsrang.<\/p>\n
Was ist passiert mit diesem Club, der in den vergangenen Spielzeiten in der zweiten Liga die Pl\u00e4tze 14, 12, 13 und 10 eingenommen hat und dabei mehrere Male dicht vor dem Wiederabstieg in die dritte Liga gestanden hat? Seit der \u00d6sterreicher Ralph Hasenh\u00fcttl im Sommer 2013 das Traineramt in Ingolstadt \u00fcbernommen und den erfahrenen Co-Trainer Michael Henke (in Dortmund und M\u00fcnchen schon unter Ottmar Hitzfeld erfolgreich) installiert hat, hat sich die Mannschaft St\u00fcck f\u00fcr St\u00fcck weiterentwickelt.<\/p>\n
In den Jahren zuvor hatten sich die Cheftrainer der Schanzer beinahe die Klinke in die Hand gegeben. Wiesinger, M\u00f6hlmann, Oral, Kurz \u2013 seit dem Aufstieg 2010 gab es in Sachen \u00dcbungsleiter keine Konstanz, bis Hasenh\u00fcttl kam. Der hatte zuvor den VfR Aalen in die zweite Liga gef\u00fchrt und dort derart stabil gehalten, dass er 2013 nach Ingolstadt weiterzog. F\u00fcr den geb\u00fcrtigen Grazer, der als Profi unter anderem f\u00fcr den Grazer AK, den 1. FC K\u00f6ln und vor allem 15 Jahre f\u00fcr Austria Wien spielte, ist konzentriertes Arbeiten der Schl\u00fcssel zum Erfolg. F\u00fcr ihn selbst, f\u00fcr seine Spieler, im Training, im Spiel. Klingt ganz einfach.<\/p>\n
Ist es aber nicht, nat\u00fcrlich nicht. Hasenh\u00fcttl geht es darum, immer einen Tick mehr zu investieren als der Gegner, dann zahle sich die Arbeit auch aus. Zuletzt hat das gegen zwei vermeintlich st\u00e4rkere Mannschaften perfekt funktioniert, n\u00e4mlich beim 1:0 in Karlsruhe und anschlie\u00dfend beim 1:0 \u00fcber Eintracht Braunschweig. Hasenh\u00fcttl entdeckte bei seinem Team so viele Qualit\u00e4ten, dass er anschlie\u00dfend sagte, es sei wie eine Spitzenmannschaft aufgetreten. Allein die Tatsache, dass inzwischen der FC Ingolstadt dem Gegner das Spiel diktiert und aufzwingt, spricht daf\u00fcr, dass der Coach damit nicht ganz Unrecht haben k\u00f6nnte.<\/p>\n
Die ersten Anzeichen, wohin die Reise der Schanzer mit Hasenh\u00fcttl f\u00fchren k\u00f6nnten, hatte es schon in der Vorsaison gegeben, als Ingolstadt Ende November mit 1:0 beim gro\u00dfen Favoriten in K\u00f6ln gewinnen konnte und damit die Abstiegspl\u00e4tze verlie\u00df. Der FCI agierte dort selbstbewusst, spielerisch stark und lie\u00df dem sp\u00e4teren Aufsteiger kaum Chancen. Inzwischen scheint sich die Spielanlage, die Hasenh\u00fcttl vorschwebt \u2013 Pressing, schnelles Umschalten und die Kunst, das Tempo zur richtigen Zeit aus der Partie zu nehmen \u2013 in den K\u00f6pfen seiner Spieler verfestigt zu haben.<\/p>\n
Sportlich l\u00e4uft es f\u00fcr die Ingolst\u00e4dter also rund, nur ein paar mehr Leute, die zum Zuschauen kommen, k\u00f6nnten sie beim FCI ganz gut gebrauchen. Von den 15.445 Pl\u00e4tzen im Stadion waren selbst gegen Braunschweig, immerhin ein letztj\u00e4hriger Erstligist, nur wenig mehr als die H\u00e4lfte besetzt. Vielleicht geht den Menschen der Aufstieg des Clubs einfach ein kleines bisschen zu schnell, m\u00f6glicherweise trauen sie dem Braten noch nicht so ganz.<\/p>\n
In der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung kursieren derweil die Parolen, dass das schon noch werde. Man gehe eben Schritt f\u00fcr Schritt vor und stelle gleichzeitig fest, dass die Mannschaft immer mehr wahrgenommen werde. Bei einer stabilen sportlichen Entwicklung gehen sie beim FCI davon aus, dass die Leute schon kommen, wenn es erst einmal um den Aufstieg geht, offiziell allerdings gibt niemand dieses Ziel aus. Zwischen den Zeilen aber hei\u00dft es im Club, es soll weiter schrittweise nach oben gehen. Aus sportlicher Sicht ist „oben“ f\u00fcr Ingolstadt jetzt die erste Bundesliga.<\/p>\n
Doch lang nicht jeder Fu\u00dfballinteressierte bejubelt das, was derzeit in Ingolstadt passiert, als Fu\u00dfballm\u00e4rchen. Die Branche be\u00e4ugt das Treiben am Audi-Sportpark kritisch, vor allem unter dem Stichwort „Audi“. Die Angst ist gro\u00df, dass der Automobilhersteller irgendwann ernst macht und anf\u00e4ngt, mit Geld um sich zu werfen. Schnell k\u00f6nnte Ingolstadt in den Ruf kommen, ein Verein zu sein, der haupts\u00e4chlich durch fremdes Geld zu Erfolg gekommen sei. Damit w\u00fcrde der Club sich im allgemeinen Ansehen auf einer Stufe befinden mit Wolfsburg, Leverkusen oder gar RB Leipzig.<\/p>\n
Schon jetzt ist der Verein von Audi durchdrungen. Im sechsk\u00f6pfigen Aufsichtsrat sitzen drei Audi-Manager, seit 2006 wirbt der Autobauer zudem auf dem Trikot der Schanzer. Das Stadion wurde von Audi teilfinanziert, der Konzern hat sich im Gegenzug die Namensrechte daf\u00fcr gesichert. Au\u00dferdem hat das Unternehmen bei den Verwertungsrechten im Merchandising und Ticketing sowie bei der Vermarktung von Werbeplattformen ein gro\u00dfes Mitspracherecht. Man k\u00f6nnte auch sagen: ohne Audi l\u00e4uft nichts beim FC Ingolstadt.<\/p>\n
Dennoch, der Club hat es bisher geschafft, sich den Kader nicht von Audi finanzieren zu lassen, der Spieleretat ist selbst f\u00fcr einen Zweitligisten maximal durchschnittlich zu nennen. Hasenh\u00fcttl kann das nur gefallen, ihm ist es sowieso wichtiger, den Verein aufzuwerten, und das geht in erster Linie \u00fcber das Sportliche. Nachhaltigkeit und Talentf\u00f6rderung sind ihm dabei mehr wert als ein schneller und erkaufter Aufstieg in die Bundesliga. Sollte es in dieser Saison mit diesem Kader dazu dennoch schon reichen, dann wehrt sich in Ingolstadt wohl auch niemand dagegen. F\u00fcr Nachhaltigkeit k\u00f6nnte das n\u00e4mlich auch sorgen, und bald k\u00f6nnten die Schanzer dann nicht nur in Bayern, sondern in der ganzen Republik bekannt sein.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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