Immer mehr Spieler aus Asien und Afrika spielen heutzutage in den europ\u00e4ischen Profiligen, Erfolgstransfers wie beispielsweise der von Shinji Kagawa l\u00f6sen regelrechte Booms aus. Diese Erfolgsgeschichten sind der Antrieb f\u00fcr die jungen Fu\u00dfballer dort, die es auch einmal schaffen wollen. Und es gibt ein Projekt, das sie unterst\u00fctzt. Schon viele namhafte Spieler haben es dadurch nach Europa geschafft. Doch trotzdem sind sie weitgehend unbekannt, die Akademien vom Franzosen Jean-Marc Guillou.<\/p>\n
Wir schreiben die Geschichte von Sidali Mebarki. Ihn gibt es wirklich, doch mehr als ein kurzer Steckbrief ist nicht bekannt \u00fcber den schwarzhaarigen Jungen, der auf dem Foto der Internetseite der Akademie nerv\u00f6s in die Kamera blickt. Doch wir schreiben die Geschichte so, wie sie gewesen sein k\u00f6nnte \u2013 und wahrscheinlich auch war.<\/p>\n
Sidali w\u00e4chst in Les Eucalyptus am s\u00fcdlichen Rand des Ballungsgebietes Algier auf. Seine Familie lebt unter keinen einwandfreien Bedingungen, aber es stehen regelm\u00e4\u00dfig Mahlzeiten auf dem Tisch und Sidali hat die M\u00f6glichkeit, die Schule zu besuchen. Doch mehr Luxus ist nicht drin.<\/p>\n
Aber Fu\u00dfball geht immer, und Sidali spielt, so oft es m\u00f6glich ist. Er ist gut, besser als die Gleichaltrigen aus dem Viertel, mit denen er immer kickt. Er tr\u00e4umt von einer Karriere als Profi, wie die von Marouane Chamakh, der St\u00fcrmer aus dem Nachbarland Marokko, der es zu Arsenal London geschafft hat. Und wenn er das nicht schafft, dann wenigstens zu MC Algier, Paradou oder Hydra, die Topclubs aus der algerischen Hauptstadt.<\/p>\n
Als er gerade neun Jahre alt ist, man schreibt das Jahr 2007, h\u00f6rt er von einer Fu\u00dfballakademie, die ihre Pforten in Algier \u00f6ffnen will. Es soll ein Probetraining durchgef\u00fchrt werden, und Sidali ist sofort Feuer und Flamme, freut sich auf den gro\u00dfen Tag. Endlich ist er gekommen: Sein Vater bringt ihn ins Hydra Stadion, die Nervosit\u00e4t droht \u00dcberhand zu nehmen, doch Sidali spielt konzentriert und eifrig und \u00fcberzeugt die franz\u00f6sischen Trainer. Auch in den weiteren drei Probetrainings wei\u00df er sich zu zeigen und schafft es in die Mannschaft der Akademie – und das, obwohl er noch nie etwas von Taktik oder System geh\u00f6rt hat.<\/p>\n
Denn einziges Aufnahmekriterium, so hei\u00dft es auf der Internetseite der Akademie, ist Talent. Und das hat Sidali \u2013 alles weitere soll ihm in den kommenden Jahren angeeignet werden. Auf der Website von JMG hei\u00dft es zudem, die Philosophie der Akademien bestehe daraus, aus jungen Menschen M\u00e4nner zu machen, ihnen ein ausgewogenes Verh\u00e4ltnis aus Gro\u00dfherzigkeit, Ehrgeiz und Bescheidenheit zu vermitteln und ihnen die Ethik des Sports nahezulegen.<\/p>\n
Das Ziel ist es, die Technik und die Intelligenz der Spieler zu verbessern und mithilfe von Taktikschulungen Spieler zu kreieren, die es m\u00f6glich machen, Spektakel und Effizienz zu vereinen. Nun steht der junge Algerier vor einer hoffnungsvollen, aber doch ungewissen Zukunft: Wird er sich durchsetzen k\u00f6nnen und die Akademie als zuk\u00fcnftiger Profi verlassen?<\/p>\n
Sidali ist nicht der erste, der vor dieser Ungewissheit stand. Die Akademie in Algier ist nach Abidjan (Elfenbeink\u00fcste), Antsirab\u00e9 (Madagaskar), Chonburi (Thailand), Bamako (Mali) und Pleiku (Vietnam) die sechste JMG-Akademie. Es sollen noch vier weitere folgen: Kairo (\u00c4gypten), Kumasi (Ghana), Lierse (Belgien) und Agadir (Marokko).<\/p>\n
So trainiert Sidali t\u00e4glich, er wird besser und besser. Auch wenn manche seiner Mitstreiter ihm etwas voraus waren – sie kamen ja teilweise bereits aus Vereinen und verf\u00fcgten \u00fcber taktische Grundkenntisse – Sidali ist wissbegierig und flei\u00dfig, schon bald geh\u00f6rt er zu den \u00fcberragenden Spielern der Akademie und darf Spiele f\u00fcr den AC Paradou bestreiten.<\/p>\n
Dies ist n\u00e4mlich ein weiteres Merkmal der Akademien: Sie schlie\u00dfen Kooperationen mit \u00f6rtlichen Proficlubs. Eine symbiotische Beziehung: Die Akademien profitieren durch die Spieler, denen Spielpraxis und Wettbewerbserfahrung gew\u00e4hrt wird, die Vereine durch die Verf\u00fcgung von nach europ\u00e4ischen Standard ausgebildeten Spielern. So konnte beispielsweise ASEC Mimosas, Partnerclub der Akademie in Abidjan, mit den Spielern der Akademie serienm\u00e4\u00dfig die nationale Meisterschaft gewinnen.<\/p>\n
Sidali ist mittlerweile 15 Jahre alt, er gilt als einer der besten Spieler der Akademie und ist unverzichtbarer Teil des AC Paradou. Er lernt Englisch und Spanisch und wie man mit dem Computer umgeht (JMG schreibt n\u00e4mlich weiter, dass allen Spielern bilinguistische und IT-Kenntnisse angeeignet w\u00fcrden), doch sein gro\u00dfes Ziel hat er noch nicht erreicht: Den Sprung in eine europ\u00e4ische Profiliga.<\/p>\n
Dann allerdings unternimmt JMG eine Europareise, die Mannschaft der Akademie spielt Turniere und misst sich mit europ\u00e4ischen Jugendteams. Zudem darf Sidali am Probetraining des FC Arsenal London teilnehmen \u2013 in die Wege geleitet von Jean-Marc Guillou, der eine Bekanntschaft zum Gunners-Trainer Ars\u00e8ne Wenger unterh\u00e4lt.<\/p>\n
Unweigerlich stellt sich hier nat\u00fcrlich die Frage: Wie schafft es ein einzelner Mensch, so ein riesiges Projekt auf die Beine zu stellen? Die Antwort ist einfach: Er ist nicht allein. Nur durch ein globales Netzwerk aus Trainern, Funktion\u00e4ren, Gesch\u00e4ftsm\u00e4nnern, Investoren und auch Politikern funktioniert JMG. Doch bringt es auch nur Segen, wird es Sidali schaffen, sich und seine Familie in eine rosige Zukunft blicken zu lassen?<\/p>\n
Eins ist klar: Bei weitem nicht jeder Absolvent der Akademie schafft den Sprung in den europ\u00e4ischen Fu\u00dfball, einige m\u00fcssen sich in unterklassigen und nationalen Ligen durchschlagen. So kann man den Ex-UEFA-Pr\u00e4sidenten Lennart Johansson zumindest ansatzweise verstehen, der Schwede bezeichnete JMG als „Menschenh\u00e4ndler, die Afrika aussaugen“. Doch so drastisch ist es mit Sicherheit nicht: Zwar ziehen Guillou und seine Mitstreiter logischerweise auch einiges an Geld aus dem Projekt (Abl\u00f6sesummen, Ausbildungs- und Beraterpr\u00e4mien), doch sie handeln nicht total egoistisch.<\/p>\n
Es ist zwar fraglich, wie konsequent die von JMG selbst auferlegte schulische Ausbildung tats\u00e4chlich durchgef\u00fchrt wird, doch auch die Spieler, f\u00fcr die es nicht zum Profidasein reicht, gehen mit einer wertvollen Erfahrung aus der Akademie. Ohne spezifische Ausbildung stehen sie aber wieder am Anfang. Allerdings genossen sie bis zu diesem Punkt ein sicheres Leben mit schulischer Ausbildung, was gerade in L\u00e4ndern wie der Elfenbeink\u00fcste und Ghana, wo die Spieler teilweise aus Ghettos zu den Akademien sto\u00dfen, nicht selbstverst\u00e4ndlich ist. Des Weiteren werden die Familien der Spieler entlastet, da die Akademie v\u00f6llig kostenlos ist.<\/p>\n
Wird es Sidali nun schaffen, sich und seiner Familie eine Zukunft in Wohlstand und Sicherheit zu verschaffen? Diese Frage wird absichtlich unbeantwortet gelassen, auch um zu zeigen, dass man JMG eben nicht zu 100 Prozent als positiv beurteilen kann. Aber eines ist sicher: Das Projekt des vision\u00e4ren Franzosen, der schon wegen seines Spielstils als nonkomformistisch und kreativ galt, ist \u00e4u\u00dferst faszinierend.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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