Tradition scheint wieder gro\u00df im Kommen zu sein. Fast jeder Klub der etwas auf sich h\u00e4lt, f\u00e4hrt eine gro\u00dfe Traditions-Kampagne. Dem Fan scheint das zu gefallen. Ein Zeichen daf\u00fcr, dass sich der Mensch im Turbokapitalismus des 21. Jahrhunderts nach Geborgenheit in alten Werten sehnt. Doch dieses Bed\u00fcrfnis treibt mitunter komische Bl\u00fcten.<\/p>\n
Die Spieler des FC Schalke m\u00fcssen seit dieser Saison durch einen Bergschacht auf das Spielfeld marschieren. Gezahlt wurde dieser Tunnel unter anderem von Gazprom. Oh welche Ironie. Der FC St. Pauli m\u00f6chte diesen Trend nun zum Ausgleich einer Ungerechtigkeit nutzen. Die Hamburger fordern finanzielle Vorteile f\u00fcr Vereine, die sich an die „traditionelle“ 50+1 Regel halten m\u00fcssen. Und das fordern sie zurecht.<\/p>\n
Der FC St. Pauli m\u00f6chte mithilfe der Fernsehgelder f\u00fcr einen Ausgleich in finanziellen Dingen sorgen. Die Fernsehgelder werden durch einen Schl\u00fcssel aufgeteilt, der vor allem die Tabellenplatzierung zugrunde legt. Das scheint zun\u00e4chst fair zu wirken. Leistung gleich Geld. So muss das doch fuktionieren. Nein. Dieses Prinzip ist neoliberaler Schwachsinn. Schauen wir uns doch mal die Kausalkette an, der die Verteilung der Fernsehgelder zu Grunde liegt.<\/p>\n
Ein Verein erh\u00e4lt von einem Sponsoren Geld. Der Verein wirbt im Gegenzug in irgendeiner Art und Weise f\u00fcr den Sponsor. Das Prinzip ist bekannt. Durch dieses Geld hat der Verein die M\u00f6glichkeit, neue Strukturen zu schaffen oder in die Qualit\u00e4t der Mannschaft zu investieren. Beide Optionen wirken sich im Regelfall positiv auf die Platzierung in der Tabelle aus. Eine h\u00f6here Platzierung sorgt f\u00fcr mehr Einnahmen aus den Fernsehgeldern.<\/p>\n
Dieses System hilft den Vereinen, Geld zu erwirtschaften, das nicht von Sponsoren kommt. Durch den oben beschriebenen Vorgang beg\u00fcnstigt der Verteilungsvorgang jedoch ganz klar Vereine, die einen gro\u00dfen Sponsoren hinter sich haben. Wenn die Verantwortlichen sich nicht komplett im Weg stehen, wird aufgrund von mehr Einnahmen durch Sponsoren eine h\u00f6here Tabellenplatzierung erm\u00f6glicht. Dieser Zusammenhang macht das System unfair. Die einen Klubs erhalten ein finanzielles Zuckerl, auf das sie gut und gern verzichten k\u00f6nnten. Die anderen Klubs werden doppelt benachteiligt. Das ist im h\u00f6chsten Ma\u00dfe unfair.<\/p>\n
Die Forderung des FC St. Pauli kann nur der Anfang sein. Die Aussch\u00fcttung der Fernsehgelder ist die Stellschraube, an der gedreht werden muss, um die Dominanz einiger weniger Klubs zu brechen. Vereine wie der FC Bayern, der VfL Wolfsburg und auf lange Sicht RB Leipzig brauchen die Fernsehgelder nicht. Die finanzstarken Sponsoren, die ihre R\u00fccken st\u00e4rken, w\u00fcrden sie ohne weiteres konkurrenzf\u00e4hig halten. Es w\u00e4re ein Akt der Solidarit\u00e4t, wenn sie schw\u00e4cheren Klubs zu einer ann\u00e4hernd konkurrenzf\u00e4higen Lage verhelfen, indem sie auf ihren Anteil der Fernsehgelder verzichten.<\/p>\n
Dieser Akt der Solidarit\u00e4t kann jedoch nur funktionieren, wenn es europaweit so geregelt wird, ansonsten w\u00fcrden sich deutsche Vereine unn\u00f6tig schw\u00e4chen. Auf nationaler Ebene w\u00e4re ein neues Gemeinschaftsgef\u00fchl jedoch mit Sicherheit einer gesteigerten Spannung dienlich.<\/p>\n
Der Vorschlag des FC St. Pauli ist richtig und wichtig. Er w\u00fcrde aber nur funktionieren, wenn man im europ\u00e4ischen Fu\u00dfball endlich eine Finanzregelung einf\u00fchrt, die die Macht der Sponsoren auf ein vertr\u00e4gliches Ma\u00df einschr\u00e4nkt. Wann und ob das jemals geschehen wird, steht in den Sternen.<\/p>\n
Die Kritik, der sich Andreas Rettig ausgesetzt sieht, deutet darauf hin, dass der deutsche Fu\u00dfball noch nicht bereit ist f\u00fcr eine so revolution\u00e4re Idee. Mancher sieht sich sogar dazu gen\u00f6tigt, Rettig pers\u00f6nlich anzugreifen.<\/p>\n
Nein Herr V\u00f6ller, Andreas Rettig ist nicht „Schweinchen Schlau“. Herr Rettig ist ein Mann, der die Verh\u00e4ltnisse im deutschen Fu\u00dfball in der Zukunft wieder zurechtr\u00fccken will. Nur weil Sie mit einem so m\u00e4chtigen Sponsor wie Bayer im R\u00fccken nicht Teil der europ\u00e4ischen Elite sind, hei\u00dft das nicht, dass Sie aus verletztem Stolz gegen alles und jeden giften m\u00fcssen. Sollten Sie nur um ihr ach so hart verdientes Geld f\u00fcrchten, so sollten Sie dringend einmal \u00fcber den Tellerrand schauen. Sie werden einen Fu\u00dfball vorfinden, der vor einer Zerrei\u00dfprobe steht. Aufgrund von Vereinsmodellen wie dem ihren.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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