Als die Sprachlosigkeit gewichen war, sprachen alle von einem Prozess. Einem Prozess, der nun, nach dem WM-Sieg in dieser magischen Nacht von Rio am 13. Juli 2014, abgeschlossen war. Auf dem H\u00f6hepunkt dieser Entwicklung, w\u00e4hrend der Endrunde der 20. Fu\u00dfball-Weltmeisterschaft, war die deutsche Nationalmannschaft eine \u00fcberragende Symbiose aus Leidenschaft, individueller Klasse und Abgezocktheit.<\/p>\n
Klar, dass eine solche Symbiose nur durch eine langfristige Entwicklung entstehen kann. Wo diese jedoch ihren Anfang nahm, daran scheiden sich die Geister. Die einen nennen die Umstrukturierung der DFB-Nachwuchsarbeit in Folge der desastr\u00f6sen EURO 2000, die anderen die unglaubliche Heim-WM 2006 unter J\u00fcrgen Klinsmann. Wieder andere berufen sich auf den Amtsantritt von Joachim L\u00f6w und b\u00f6se Zungen sogar auf das Nationalmannschafts-Aus f\u00fcr Michael Ballack.<\/p>\n
Betrachtet man jedoch „Die Mannschaft“ von 2014, so l\u00e4sst die Frage nach dem Ursprung der Weltmeisterelf nur eine Antwort zu: Am 29. Juni 2009 werden Manuel Neuer, Jerome Boateng, Benedikt H\u00f6wedes, Mats Hummels, Sami Khedira und Mesut \u00d6zil gemeinsam in Malm\u00f6 U21-Europameister. Hier begann alles.<\/p>\n
Sechs Jahre sp\u00e4ter werden sie alle als Stammspieler Weltmeister in Brasilien. Mittlerweile ist „The Class of 2009“ erwachsen geworden.<\/p>\n
Aus Manuel Neuer, einem sch\u00fcchternen Burschen aus Gelsenkirchen-Buer, der bei der U21-EM erste Gehversuche auf internationalem Parkett wagte und im Finale Benedikt H\u00f6wedes in Oliver-Kahn-Manier durchr\u00fcttelte, ist der zweifellos beste Torh\u00fcter der Welt geworden. Er etablierte einen v\u00f6llig neuen Spielstil, der der Welt sp\u00e4testens seit seinem legend\u00e4ren Auftritt gegen Algerien bei der WM 2014 bekannt ist. Man braucht \u00fcber Neuer keine gro\u00dfen Worte zu verlieren, man muss sich nur seine Troph\u00e4ensammlung anschauen, er ist unter anderem dreifacher Deutscher Meister und Pokalsieger, Champions-League-Sieger, zweifacher Welttorh\u00fcter, Dritter bei der Weltfu\u00dfballerwahl und Weltsportler des Jahres. Ein moderner Superstar.<\/p>\n
Champions League-Sieger ist auch Neuers Teamkollege vom FC Bayern, Jerome Boateng. Bei der EM ’09 noch beim HSV unter Vertrag, wechselte er im Jahr darauf zu Manchester City und 2011 zu den Bayern, wo er trotz anf\u00e4nglicher Schwierigkeiten bald Stammspieler wurde und heute als einer der besten Innenverteidiger weltweit gilt. Das beste Spiel seiner Karriere lieferte er wohl im Maracana, als er besonders in der Verl\u00e4ngerung der Fels in der Brandung f\u00fcr die deutsche Mannschaft war.<\/p>\n
Boatengs Abwehrpartner Mats Hummels gilt mittlerweile als der Traumschwiegersohn des deutschen Fu\u00dfballs. Sp\u00e4testens seit der WM, als er selbst unmittelbar nach Abpfiff die Eloquenz eines ehemaligen Deutsch-LK’lers an den Tag legte und Hummels‘ Freundin Cathy sich mit aller Macht in die (Boulevard-)Medien dr\u00e4ngte. 2009 im Finale gegen England noch als Sechser unterwegs, ist Hummels heute Abwehrchef bei Borussia Dortmund und hat angek\u00fcndigt, dem Verein trotz angeblich zahlreicher und volumin\u00f6ser Angebote von Manchester United treu zu bleiben.<\/p>\n
Ein wenig unter dem Radar flog bis zur WM der Schalker Benedikt H\u00f6wedes. Bis Joachim L\u00f6w ihn tats\u00e4chlich als Linksverteidger aufstellte. Ganz Deutschland fragte sich: Was zur H\u00f6lle macht der da?! Nun ja, H\u00f6wedes absolvierte alle sieben WM-Spiele, meisterte seine Aufgaben mit einem H\u00f6chstma\u00df an Seri\u00f6sit\u00e4t und ist heute Weltmeister. H\u00f6wedes ist Kapit\u00e4n von Schalke 04.<\/p>\n
Der Kapit\u00e4n der Juniorenelf, Sami Khedira, wechselte 2010 vom VfB Stuttgart zu Real Madrid, war dort jahrelang Stammspieler, ehe er aufs Abstellgleis geriet und nun zu Juventus Turin fl\u00fcchtete. Khedira gilt als nat\u00fcrlicher Anf\u00fchrer, was ihm auch zu Juniorenzeiten von Horst Hrubesch bescheinigt wurde. 2014 wurde er mit Real Madrid Champions League-Sieger und stand im Finale zu Beginn auf dem Platz. Bei der WM absolvierte er bis zum Finale alle Spiele, musste in Rio jedoch aufgrund einer Verletzung nach dem Aufw\u00e4rmen zugeben, dass es nicht reichte.<\/p>\n
Mesut \u00d6zil, der gemeinsam mit Khedira zu Real Madrid ging, ist seit seinem Wechsel zu Arsenal im Jahr 2013 offiziell der teuerste deutsche Spieler aller Zeiten. Die „Gunners“ lie\u00dfen sich sein Engagement um die 50 Millionen Euro kosten. \u00d6zil ist ein Genie am Ball, neigt jedoch manchmal zur Lethargie, was ihm speziell bei der WM \u00c4rger in der Heimat einbrachte. Nichtsdestotrotz ist er, rein fu\u00dfballerisch betrachtet, der wohl talentierteste deutsche Akteur der letzten Jahre.<\/p>\n
All das sind nat\u00fcrlich keine Neuigkeiten, doch es soll verdeutlichen, was f\u00fcr eine unglaubliche Achse an k\u00fcnftigen Superstars in der Siegermannschaft von 2009 spielte. Dass sechs Spieler, die zeitgleich in einer Juniorenmannschaft spielten, die Achse bei einem sp\u00e4teren WM-Sieg stellen, ist mindestens genauso wunderbar wie einzigartig.<\/p>\n
Auch die „Nicht-Weltmeister“ aus dem 2009er-Team k\u00f6nnen sich sehen lassen. Aus Sebastian Beck, Marcel Schmelzer, Dennis Aogo, Marko Marin und Gonzalo Castro wurden ebenfalls deutsche Nationalspieler. Fabian Johnson spielte bei der WM 2014 f\u00fcr die USA, Ashkan Dejagah f\u00fcr den Iran. Aus den meisten anderen wurden etablierte Bundesligaspieler, nur Dennis Grote (MSV Duisburg) sowie der Ersatztorwart von 2009, Florian Fromlowitz (SV Wehen Wiesbaden), spielen in einer Liga unterhalb der zweiten Bundesliga.<\/p>\n
„The Class of 2009“ \u2013 ein wahrlich guter Jahrgang.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Als die Sprachlosigkeit gewichen war, sprachen alle von einem Prozess. Einem Prozess, der nun, nach dem WM-Sieg in dieser magischen Nacht von Rio am 13. Juli 2014, abgeschlossen war. Auf dem H\u00f6hepunkt dieser Entwicklung, w\u00e4hrend der Endrunde der 20. Fu\u00dfball-Weltmeisterschaft, war die deutsche Nationalmannschaft eine \u00fcberragende Symbiose aus Leidenschaft, individueller Klasse und Abgezocktheit.<\/p>\n","protected":false},"author":4,"featured_media":5963,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[8],"tags":[11,12],"yoast_head":"\n