Seitdem der j\u00fcngste Trainer der Bundesliga-Geschichte das Ruder \u00fcbernommen hat, l\u00e4uft es rund in Hoffenheim. Letztes Jahr noch knapp dem Abstieg entronnen, sind die Kraichgauer in dieser Saison noch ungeschlagen. Inside 11 beleuchtet die Hoffenheimer \u00dcberraschungsmannschaft und ihren jungen Erfolgscoach, der durch eine mutige Kaderpolitik und interessante Philosophie den Konkurrenten bislang stets ein Schnippchen schl\u00e4gt.<\/p>\n
Es lohnt sich definitiv, zun\u00e4chst einen Blick auf die Grunddaten zu werfen. Die TSG hat diesen Sommer einen kleinen Transfergewinn von knapp sechs Millionen Euro erzielen k\u00f6nnen, dies haupts\u00e4chlich durch den Abgang von Kevin Volland. Neu im Team sind der fest verpflichtete Andrej Kramaric, dazu die Defensivspezialisten Kevin Vogt und Benjamin H\u00fcbner und die talentierten Mittelfeldspieler Lukas Rupp vom VfB Stuttgart und Kerem Demirbay. Zu guter Letzt wechselte etwas \u00fcberraschend Sandro Wagner nach Hoffenheim.<\/p>\n
Betrachtet man den Kader, der Nagelsmann nun zur Verf\u00fcgung steht, f\u00e4llt auf, dass kaum gelernte Fl\u00fcgelspieler vorzufinden sind. Zumindest keine, die Ambitionen auf einen Stammplatz h\u00e4tten. Daf\u00fcr sind mit Uth, Kramaric, Wagner und Szalai gleich vier starke Mittelst\u00fcrmer im Kader. Weiter ist die Anzahl an zentralen und defensiven Mittelfeldspielern erstaunlich. Gleich sieben Spieler mit gutem Bundesliga-Niveau sind hier gelistet. Ein gewisser Zentrumsfokus erschlie\u00dft sich bereits mit Blick auf die Kaderstruktur. Denn neben zahlreichen Innenverteidigern verf\u00fcgt Hoffenheim auch nur \u00fcber drei Au\u00dfenverteidiger mit Toljan, Kaderabek und dem bislang einsatzlosen Kim.<\/p>\n
Diese Zusammensetzung mag \u00fcberraschen, doch sie wurde unter Nagelsmann h\u00f6chst selbst so herbeigef\u00fchrt. Ganz bewusst wurden im Sommer nur zentrale Spieler verpflichtet, dahinter stecken wohl taktische \u00dcberlegungen. In den bisherigen Bundesliga-Spielen setzte Nagelsmann auf zwei Systeme: Ein 3-5-2 mit unterschiedlichen Besetzungen der Fl\u00fcgelpositionen und ein 4-3-3, das im Gegensatz zur klassischen niederl\u00e4ndischen Interpretation keine Fl\u00fcgelst\u00fcrmer enth\u00e4lt, sondern drei Mittelst\u00fcrmer. Ganz offensichtlich plant der junge Trainer nicht mit offensiven Fl\u00fcgelspielern, sondern setzt in seinen Spielsystemen auf einfache Fl\u00fcgelbesetzungen. Daf\u00fcr reicht das Personal auch durchaus aus.<\/p>\n
Betrachtet man Hoffenheims statistische Werte bislang, f\u00e4llt auf, dass sie durchaus offensiv auftreten. In den ersten neuen Spielen haben sie mit 153 Torsch\u00fcssen die zweitmeisten abgefeuert, das sind 17 pro Spiel im Schnitt. Ebenfalls auff\u00e4llig ist die gute Passquote der Kraichgauer. Hierbei zeigt sich ein erster Vorteil dieses Zentrumsfokus. Das Aufbauspiel wird deutlich leichter. Im zuletzt lieber gespielten 3-5-2 stehen mit den drei Innenverteidigern und den drei zentralen Mittelfeldspielern viele Passoptionen offen und die Passwege sind entsprechend kurz. So l\u00e4sst sich mit weniger Risiko das Spiel er\u00f6ffnen.<\/p>\n
Allerdings ist Nagelsmann kein reiner Anh\u00e4nger des Kurzpass-Stils. Dadurch, dass stets zwei oder gar drei Mittelst\u00fcrmer auf dem Platz stehen, sind auch lange B\u00e4lle \u00fcber stark pressende Teams immer eine Option. Die kr\u00e4ftigen Spitzen, allen voran Sandro Wagner, werden so ins Spiel gebracht und durch die zahlreichen nachr\u00fcckenden Mittelfeldspieler stehen auch die Chancen auf die zweiten B\u00e4lle sehr gut.<\/p>\n
Die Schl\u00fcsselspieler unter Nagelsmann sind die zentralen Mittelfeldspieler. Ihre Aufgaben sind extrem vielf\u00e4ltig. So sollen sie wie oben gesehen sowohl im Aufbauspiel als auch auf der Jagd nach zweiten B\u00e4llen stets pr\u00e4sent und aktiv sein. Eine weitere wichtige Funktion nehmen sie allerdings im letztem Drittel wahr. Nagelsmann l\u00e4sst seinen Achtern viele Freiheiten, sie sollen mutig mit und ohne Ball in die Spitze vorsto\u00dfen. Die St\u00fcrmer lassen sich gerne etwas fallen und schaffen so R\u00e4ume f\u00fcr nachr\u00fcckende und weit vorsto\u00dfende Spieler.<\/p>\n
Hierbei hat Nagelsmann in der Kaderzusammenstellung darauf geachtet, dass seine Mittelfeldspieler sowohl im Kopf als auch auf den F\u00fc\u00dfen flink und dazu technisch beschlagen sind. Lukas Rupp, Nadiem Amiri und Kerem Demirbay sind allesamt schnell und dribbelstark. Damit sind sie f\u00fcr diese Rollen bestens geeignet. Bei den Mittelfeldspielern gilt unter Julian Nagelsmann, dass Vielseitigkeit Trumpf ist.<\/p>\n
Da Nagelsmann etwas entgegen des Trends im europ\u00e4ischen Spitzenfu\u00dfball auf zwei, teilweise sogar drei Mittelst\u00fcrmer auf einmal setzt, lohnt es sich, ihre Rollen etwas zu beleuchten. Wie in eigentlich jeder erfolgreichen Mannschaft, zumindest in der Bundesliga, fungieren die St\u00fcrmer als erste Verteidiger. Dabei hat Nagelsmann auf die Mentalit\u00e4t seiner Angreifer wert gelegt: alle zeigen sie Einsatzfreude, Aggressivit\u00e4t und Flei\u00df. Besonders Sandro Wagner d\u00fcrfte auch unter diesem mentalen Gesichtspunkt auf dem Wunschzettel gelandet sein.<\/p>\n
Der U-21-Europameister bringt au\u00dferdem die eher klassischen Attribute eines Sto\u00dfst\u00fcrmers mit. Er ist gro\u00df, physisch stark und besitzt einen gute Positionierung im Strafraum des Gegners, auch „Torriecher“ genannt. Andrej Kramaric und Mark Uth hingegen \u00fcberzeugen eher durch ihre Athletik. Beide sind sehr schnell und damit in Umschaltsituationen wichtige Faktoren. Situativ ist es ihnen auch gut m\u00f6glich, einen Fl\u00fcgel zu besetzen und die Rolle der fehlenden Fl\u00fcgelst\u00fcrmer einzunehmen.<\/p>\n
Eine gro\u00dfe Besonderheit unter Nagelsmann ist, dass seine Mannschaft Zweik\u00e4mpfe scheut. Er selbst sagte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, er s\u00e4he es deutlich lieber, wenn sein Team den Ball durch \u00fcberlegtes Zustellen der Passoptionen gewinnt. Und tats\u00e4chlich zeigt die Statistik: Hoffenheim f\u00fchrte hinter den Bayern die zweitwenigsten Zweik\u00e4mpfe der Liga. Das ist bemerkenswert in einer Fu\u00dfballlandschaft, deren Steckenpferde aggressives, hohes Pressing und damit verbunden auch zahlreiche Zweik\u00e4mpfe sind.<\/p>\n
Auch in dieser Philosophie hilft Nagelsmann die Herangehensweise \u00fcber eine Formation mit vielen zentralen Spielern. Da auf den Fl\u00fcgeln die Passwege durch die Seitenauslinie ohnehin nat\u00fcrlich begrenzt sind, reicht dort eine einfache Besetzung aus, um vertikale Zuspiele zuzustellen, zumal eine breit aufgestellte Dreierabwehr dahinter immer noch absichern kann. Die restlichen Akteure k\u00f6nnen sich darauf konzentrieren, im Zentrum \u00dcberzahl zu schaffen und dort ein dichtes Netz zu spinnen, das wenig sichere Optionen f\u00fcr Zuspiele offen l\u00e4sst.<\/p>\n
Julian Nagelsmann ist eine enorme Bereicherung f\u00fcr die Liga. Zwar noch sehr jung, verfolgt er einen klaren Plan mit seiner Mannschaft und pr\u00e4sentiert sich nebenbei noch ausgesprochen bodenst\u00e4ndig in der \u00d6ffentlichkeit. Weder bringen ihn Kaugummiw\u00fcrfe aus der Ruhe, noch ist er bei Beleidigungen nachtragend. Als Trainer bringt er viele Aspekte anderer erfolgreicher Vertreter seiner Zunft in seine Arbeit ein und vermengt sie zu seiner eigenen Art, das Spiel erfolgreich zu gestalten. Teile seines Aufbauspiels mit einer Dreierkette erinnern beispielsweise an Pep Guardiola, ebenso wie der Ansatz, dass die Formation zugunsten der Spielidee wechseln kann und soll. Von der Pressing-Schule um J\u00fcrgen Klopp kommen hingegen die Ans\u00e4tze, dass St\u00fcrmer erste Verteidiger sein m\u00fcssen und es sich lohnt, ein Augenmerk auf zweite B\u00e4lle zu legen.<\/p>\n
Dieser TSG 1899 Hoffenheim ist auf jeden Fall viel zuzutrauen. Ohne gro\u00dfe Investitionen hat es die sportliche F\u00fchrung um Julian Nagelsmann geschafft, eine f\u00fcr seine Spielphilosophie gut aufgestellte Mannschaft zusammenzustellen. Gerade durch die sehr zentrumsfokussierten Aufstellungen ist Hoffenheim f\u00fcr jedes Team der Liga ein schwierig zu bespielender Gegner. Au\u00dferdem sind die Kraichgauer offensiv schwierig auszurechnen, da sie einerseits ihr Spiel variabel aufziehen k\u00f6nnen und andererseits durch die vielen vielseitigen Spielertypen der eine oder andere \u00fcberraschende taktische Kniff jeden Gegner auf dem falschen Fu\u00df erwischen kann.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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