„Ist denn die Elbe immer noch die selbe?“, singen knapp 20.000 euphorische Kehlen mit voller Begeisterung. Wenn aus den Stadionboxen des 1. FC Magdeburg das Lied vom Magdeburger Kind schallt, h\u00e4lt es keinen heimischen Fan auf seinem Sitz. Auf allen R\u00e4ngen ragen die blau-wei\u00dfen Schals des Drittligavereins gen Sonne und als die Stadthymne beendet ist, folgt die Mannschaftsaufstellung. Die Fankultur in der 3. Liga ist eine besondere.<\/p>\n
Die elf Jungs im FCM-Trikot, welche Trainer Jens H\u00e4rtel von Beginn an aufgestellt hat, k\u00f6nnen stolz ihre Namen in atemberaubender Lautst\u00e4rke aus den Zuschauerreihen h\u00f6ren. Dann ert\u00f6nt das Vereinslied und die Einstimmung auf das Spiel erf\u00e4hrt ihren H\u00f6hepunkt \u2013 G\u00e4nsehaut ist f\u00fcr jeden garantiert. Im Anschluss betreten die Mannschaften das Feld und es folgen 90 Minuten mit erstklassigem Support.<\/p>\n
Wer denkt, dass sich f\u00fcr die 3. Liga niemand interessiert, hat sich deutlich geschnitten. \u00dcber 7000 Zuschauer waren in der letzten Saison durchschnittlich bei einem Spiel in den Drittligastadien, wie dem Portal 3-liga.com zu entnehmen ist. Der FCM ist mit 16.500 Besuchern pro Heimspiel Spitzenreiter in der aktuellen Spielzeit. Zum Vergleich: In der \u00f6sterreichischen Bundesliga wurden 2015\/16 lediglich 1,1 Millionen Tickets verkauft und damit nur gute 6000 pro Spiel. Nach Angaben des eigenen Vereins sind in Magdeburg rund 1600 Anh\u00e4nger in 78 Fanclubs aktiv.<\/p>\n
Einer der bekanntesten ist der Fanclub79. Dieter und Thomas waren dort lange als Mitglied t\u00e4tig. Im sogenannten „Altul-Block“ standen sie von jungen Jahren an und unterst\u00fctzen die Spieler auf dem Platz mit ihren Ges\u00e4ngen. Auch wenn die zwei M\u00e4nner sich mittlerweile altersbedingt aus der Ultra-Szene verabschiedet haben, findet man sie noch immer jedes Heimspiel in der MDCC-Arena. Seit 43 Jahren sind sie regelm\u00e4\u00dfig im Stadion.<\/p>\n
Irgendwann kam auch Petra hinzu. „Wann genau wei\u00df ich gar nicht mehr so genau“, meint sie. Der faszinierende Kult um den FCM hatte sie gefesselt und nun ist sie ebenfalls immer dabei. Im Cafe B\u00f6rdeland, welches sich ganz in der N\u00e4he der Arena befindet, sitzen sie stets im Anschluss daran und diskutieren \u00fcber das Spiel.<\/p>\n
Nach dem Ost-Derby gegen Hansa Rostock, bei dem der FCM in der Nachspielzeit noch den Ausgleich hinnehmen musste, war f\u00fcr sie einer klar spielentscheidend: Der Schiedsrichter. Mit der Mannschaft sind sie durchaus zufrieden. Mit dem inflation\u00e4ren Begriff „Derby“ allerdings nicht.<\/p>\n
F\u00fcr sie gibt es nur einen wahren Gegner \u2013 die SG Dynamo Dresden. Diese war zu DDR-Zeiten lange Rivale im Kampf um die Meisterschaft. Gr\u00f6\u00dfter Erfolg des FCM war zweifelsohne der Europapokalsieg 1974. Auf vielen Schals befinden sich noch heute Hinweise auf den damaligen 2:0 Erfolg im Finale gegen den AC Mailand.<\/p>\n
Auf die Frage, was ihren Verein so einzigartig macht, antwortet Dieter stolz: „Wir sind die Gr\u00f6\u00dften!“ Lachend f\u00fcgt Thomas hinzu: „Das haben wir vor ein paar Jahren festgestellt und seitdem hat uns niemand vom Gegenteil \u00fcberzeugt.“<\/p>\n
Gerade die j\u00fcngste Vergangenheit des FC Magdeburg d\u00fcrfte der Hauptgrund f\u00fcr das gro\u00dfe Selbstvertrauen sein. Der Club erreichte in der letzten Saison als Aufsteiger den vierten Platz und lies auch Tr\u00e4ume f\u00fcr mehr zu. Wer an Beispiele wie den SV Darmstadt denkt, muss diese f\u00fcr nicht g\u00e4nzlich aus der Luft gegriffen halten.<\/p>\n
Doch die erfahrenen Fu\u00dfballliebhaber bleiben eher zur\u00fcckhaltend, wenn es um die Formulierung der Ziele des Vereins geht: „Ich f\u00fchle mich in der 3. Liga eigentlich ganz wohl“, so Dieter. Gerade Ausw\u00e4rtsziele wie Heidenheim oder Sandhausen h\u00e4lt er nicht gerade f\u00fcr spannend.<\/p>\n
Auch Ronald und Winfried mahnen dazu, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. F\u00fcr sie ist der Klassenerhalt ebenfalls das realistischste und damit auch wichtigste Ziel. Seit 15 Jahren verfolgen die beiden regelm\u00e4\u00dfig den Werdegang des FCM. F\u00fcr diese Saison haben sie sich erstmals Dauerkarten zugelegt.<\/p>\n
Die einzigen waren sie damit nicht. Allein bis Juli wurden, laut der Mitteldeutschen Zeitung, f\u00fcr diese Saison 5000 Jahreskarten verkauft. Der Verein musste den hohen Andrang sogar bremsen. „Gerade f\u00fcr spannende Spiele wie gegen Hansa Rostock ist es immer schwierig, sich eine Tageskarte zu ergattern“, erkl\u00e4rt Winfried.<\/p>\n
Damit m\u00fcssen sie sich jetzt nicht mehr besch\u00e4ftigen. Sie lassen sich mittlerweile in jedem Heimspiel von der gro\u00dfen Euphorie im Verein und Umfeld mitrei\u00dfen. Die 14 Kilometer lange Anfahrt nehmen sie daf\u00fcr gerne in Kauf. Ronalds Sohn und dessen Kumpel begleiten sie ebenfalls regelm\u00e4\u00dfig. In erster Linie, diese Meinung vertreten sie alle, sei es die gro\u00dfartige Fankultur, die den Verein so faszinierend macht.<\/p>\n
Bei den einzelnen Drittligavereinen ist nat\u00fcrlich das Ma\u00df an Interesse sehr divers. Dass die zweiten Mannschaften der Bundesligaclubs, wie derzeit Mainz 05 II und Werder Bremen II, lange nicht so viele begeisterte Anh\u00e4nger haben, ist nicht wirklich \u00fcberraschend. Diese k\u00f6nnen oft auch nur ein paar hundert Zuschauer auf ihren Heimspielen z\u00e4hlen.<\/p>\n
Doch gerade die Vereine mit einer gr\u00f6\u00dferen Tradition, wie Hansa Rostock, der MSV Duisburg oder eben der FC Magdeburg, erfreuen sich einer gro\u00dfen Anh\u00e4ngerschaft von Fans, die sie lebensl\u00e4nglich unterst\u00fctzen. Au\u00dferdem m\u00fcssen sich drittklassige Clubs deutlich weniger mit sogenannten „Erfolgsfans“ herumschlagen, was f\u00fcr die Stimmung im Verein wie auf den R\u00e4ngen sehr angenehm ist \u2013 wohl ein entscheidender Faktor f\u00fcr die besondere Fankultur in der 3. Liga.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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