Die Schweiz ist schockiert. Nach einem rücksichtslosen Foulspiel des ehemaligen Hoffenheimers Sandro Wieser an Gilles Yapi stellt sich nicht zum ersten Mal die Frage nach einer angemessenen Bestrafung für den Übeltäter. Das Einsteigen hat schwerwiegende Folgen: das rechte Knie des 32-Jährigen ist vollkommen zerstört und dessen Karriere möglicherweise vorzeitig beendet. Inside 11 mit dem Schock des Wochenendes und den Folgen.
Die Schäden im Knie von Gilles Yapi sind immens: das vordere Kreuzband sowie das Innenband sind gerissen, der Meniskus eingerissen und die Stabilisierungsbänder der Kniescheibe sind verletzt. Urs Meier, der Trainer des FC Zürich, bezeichnet den Zustand treffend: „Alles zerfetzt.“ Die vollständige Diagnose hätte nicht schlimmer ausfallen können:
- Vorderes Kreuzband gerissen
- Innenband gerissen
- Medialer und lateraler Meniskus eingerissen
- Fragmentstücke des Meniskus im Gelenk
- Knorpeldefekt bis auf den Knochen
- Knochenkontusion mit Flüssigkeitsbildung im Knochen
- Verletzung des Stabilisierungsbands der Kniescheibe
- Starke Hämatome in den Oberschenkel-Muskeln
Gilles Yapi ist mittlerweile 32 Jahre alt und befand sich im zweiten Frühling seiner Karriere. Beim FCZ ist er als Stamm- und Führungsspieler ein wichtiger Bestandteil des derzeitigen Erfolgs. Ob er nun jemals auf den Platz zurückkehren kann, erscheint angesichts der Schwere dieser Verletzung mehr als fraglich.
Tatort war das Stadion Brügglifeld des FC Aarau. Es lief die 18. Spielminute, der FCZ führte mit 1:0. Gilles Yapi und Sandro Wieser stürmten auf einen herrenlosen Ball zu. Der Zürcher erreichte diesen zuerst, spielte ihn weg und wurde Sekundenbruchteile darauf von den Stollen des Liechtensteiners am Knie getroffen. So hart, dass sein Bein einknickte und im Knie so ziemlich alles zu Bruch ging, was man sich vorstellen kann. Die Folge für den Schiedsrichter aus Österreich war ebenso klar wie korrekt: Für den Aarauer war das Spiel beendet. Doch wie geht es weiter?
Die heikle Frage nach dem Strafmaß
Eine Spielsperre wird es natürlich geben, das versteht sich von selbst. Der Fall wurde der Disziplinarkomission der Swiss Football League übergeben, weil diese im Gegensatz zum Einzelrichter mehr als vier Spielsperren erteilen kann. Gerechnet wird mit einer hohen einstelligen oder zweistelligen Anzahl an Suspensionen. Doch ist damit der Gerechtigkeit Genüge getan?
Sandro Wieser Absicht zu unterstellen wäre natürlich zu viel des Guten. Der 21-Jährige trat nicht bewusst zu, er kam zu spät in einem Zweikampf. Die Art und Weise allerdings, wie er diesen zu führen gedachte, muss dem Unbeteiligten zu denken geben. Das Bein gestreckt, die Stollen mit viel Elan vorne weg und kein Anzeichen eines Zurückziehens. Auch dann nicht, als deutlich wurde, dass er den Ball verpassen würde. Grob fahrlässig kann man dies nennen. Oder rücksichtslos. Der Spieler nimmt mit solchem Verhalten eine schwere Verletzung billigend in Kauf. In den meisten Fällen passiert da nichts gravierendes, nun aber wurde dadurch möglicherweise die Karriere eines Kollegen beendet.
Sprachlosigkeit und Erklärungsnot
Yapis Mitspieler Burim Kukeli, einst schon betroffen von einem überhartem Einsteigen, das ihn viele Monate seiner Karriere kostete, zeigte sich bedrückt und war „sprachlos, wie man mit einem Berufskollegen umspringt“. Sandro Wieser entschuldigte sich via Facebook. Es sei schwierig zu erklären, was auf dem Spielfeld innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde passiert. Die Folgen, die es für ihn haben könnte, sind im Moment schwer abzusehen. Es steht dank FCZ-Präsident sogar eine Strafanzeige – die allerdings Yapi selbst erstatten müsste – im Raum.
Sind Spielsperren genug?
Die Frage nach dem Strafmaß ist schlussendlich eine schwierige. Einerseits gibt es Stimmen, die drastische Maßnahmen fordern und damit eine Annäherung der Suspendierungszeit des Übeltäters an diejenige des Ausfalls des Opfers. Einen 21-Jährigen für einen schwachen, nicht mal bewusst so beabsichtigten Moment für Monate oder möglicherweise gar Jahre aus dem Verkehr ziehen? Das geht wohl deutlich zu weit.
Ob es hingegen ein paar Spielsperren tun? Es erschiene doch mithin auch leicht paradox, sollte die Karriere des Geschädigten ein solch jähes Ende gefunden haben, während der Übeltäter nach ein paar Wochen Zwangspause wieder frisch-fröhlich mitwirken kann.
Zivilprozess zur Zeit keine Alternative
Eine zivile Klage wäre vielleicht ein Weg, dies zu lösen. Der Übeltäter müsste so neben einer Spielsperre noch teilweisen Schadensersatz leisten, womit doch etwas mehr Genugtuung erreicht wäre. In der Schweiz wurde dies bislang allerdings vom Bundesgericht stets ausgeschlossen – schließlich müsse mit Verletzungen rechnen, wer Sport treibe. Das muss man für den Moment so stehen lassen.
So bleibt wohl nur der verbandsinterne Weg, welcher sich auf Spielsperren beschränkt. Sandro Wieser nun ewig aus dem Spielbetrieb zu verbannen, erscheint, wie angesprochen, überhart. Dennoch müsste die Strafe eine sein, die künftigen Heißspornen zu verstehen gibt, dass sie solches Verhalten auf dem Platz bereuen werden. Man darf gespannt sein, wie sich die Disziplinarkomission entscheiden wird.