Der Braunschweiger Weg

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1967 war das große Jahr von Eintracht Braunschweig. Die Löwen konnten zum ersten und bislang letzten Mal in ihrer Vereinsgeschichte den Gewinn der deutschen Meisterschaft feiern. Es folgten die „fetten Jahre“, in denen unter anderem ein Paul Breitner für die Niedersachsen auflief – finanziert von Jägermeister, die mit ihrer Trikotwerbung für ein Novum in der Geschichte der Bundesliga sorgten und für damalige Verhältnisse eine Menge Geld in den Verein pumpten.

Doch das ist Vergangenheit. Nach einigen weiteren Jahren im Oberhaus rutschte der BTSV bis in die dritte Liga – damals noch Regionalliga – ab. Die Zeiten waren alles andere als rosig in Braunschweig. Im Jahr 2008 wurde dann schließlich Torsten Lieberknecht, der zuvor die A-Jugend des Vereins betreut hatte, zum Chefcoach ernannt. Von da an ging es wieder stetig bergauf.

Überraschend in die erste Liga

Lieberknecht und Marc Arnold, der zeitgleich seine Tätigkeit als sportlicher Leiter aufnahm, setzten auf personelle Kontinuität und wirtschaftliche Konsolidierung. Junge, unerfahrene Spieler erhielten das Vertrauen und Trainer und Manager wurden dafür belohnt. Es wurde ein Dreijahresplan ausgearbeitet, der nach Ablauf dieser Zeit exakt das gewünschte Resultat brachte: den Aufstieg und die Schuldenfreiheit.

Seitdem sind zwei weitere Jahre vergangen und innerhalb dieser Zeit gelang den Braunschweigern der nächste, für die meisten doch recht überraschende, Aufstieg in die erste Bundesliga. Die Eintracht, die sich eigentlich erst einmal in der zweiten Liga etablieren wollte, musste plötzlich umplanen. Den Verantwortlichen war von Anfang an klar, dass nichts anderes als der Klassenerhalt das Ziel sein kann, für höhere Ziele fehlte es einfach an Qualität in der eigenen Mannschaft. Das offenbarte auch der Saisonstart: Aus den ersten sieben Spielen konnten die Löwen nur einen Punkt holen.

Deutliche Leistungssteigerung in der Rückrunde

Einen der Hauptgründe für die schwache Hinrunde mit nur sieben Punkten sah Lieberknecht in der Spieltiefe seiner Mannschaft, also dem Abstand zwischen dem hintersten Verteidiger und dem vordersten Stürmer. Dieser ist in der ersten Liga ganze acht Meter geringer, was einen stark erhöhten Druck des Gegners auf den Ballführenden bedeutet und schnelleres Handeln erfordert. Folglich beschäftigte sich Lieberknecht im Wintertrainingslager mit diesem Problem.

Wenn man sich nun die jüngsten Partien nach der Winterpause anschaut, ist eine deutliche Leistungssteigerung erkennbar, die sich auch auf die Ergebnisse auswirkt. Schon jetzt, nach elf Spielen in der Rückrunde hat Braunschweig mehr Punkte gesammelt als in der gesamten Hinserie. Das Team agiert wesentlich forscher, es scheint so, als habe die Mannschaft einen Ballast abgeworfen.

In der Winterpause konnte zudem mit Havard Nielsen ein talentierter Mann für die Offensive leihweise für eineinhalb Jahre aus Salzburg losgeeist werden. Der junge Norweger verleiht den Niedersachsen zusätzliche Variabilität und gehört mittlerweile zu den Besten seiner Mannschaft, die noch ein Stück weiter zusammengerückt zu sein scheint, wenn das in Braunschweig überhaupt möglich ist. Schließlich lebt der Verein von der ungeheuren Identifikation mit der Stadt.

Der Klassenerhalt ist nicht mehr unmöglich

Lieberknecht hat den Seinen klargemacht, dass es nur über Zusammenhalt, unbedingten Willen und enorme Einsatzbereitschaft geht. Im prestigeträchtigen Derby gegen Hannover 96 hat Braunschweig vorgemacht, wie es mit dem Klassenerhalt doch noch klappen kann. Im Eintracht-Stadion agierten die Hausherren mit zwei bissig zu Werke gehenden Viererketten, die sich nach Ballverlust sofort wieder formierten. Hannover konnte so überhaupt kein Tempo aufnehmen und verlor den Großteil der Zweikämpfe.

Als bestes Beispiel für die von den Braunschweigern an den Tag gelegten Tugenden ist Innenverteidiger Ermin Bicakcic zu nennen, der über 80 Prozent seiner Duelle für sich entscheiden konnte. Sind das die Werte eines Absteigers? Wohl eher nicht!

Man darf sich sicher sein, dass Eintracht Braunschweig auch im Falle eines Abstiegs ihren Weg mit jungen, talentierten Akteuren aus den unteren Ligen weitergehen und weiterhin auf eine geringe personelle Fluktuation setzen wird. Dies trifft auch auf Torsten Lieberknecht zu, der seinen Vertrag kürzlich erst bis 2017 verlängert hat. Mit ihm würde sich die Eintracht spätestens dann in der zweiten Liga etablieren.

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