Vor einigen Wochen wurde es offiziell gemacht: Der FC Bayern holt Sebastian Rudy und Niklas Süle von 1899 Hoffenheim. Und keiner weiß so richtig, warum. Verbucht werden die beiden unter dem guten alten „Der FC Bayern kauft seine Konkurrenz kaputt“-Transfer. Zurecht?
Als Bayern-Fan kann einem derzeit schonmal mulmig werden. Auf dem Rasen herrscht lustloses Geschiebe, Abseits des Platzes fühlt man sich spätestens seit Philipp Lahms Rücktritt wieder an die großen FC Hollywood-Zeiten erinnert. Kurzum: Beim FC Bayern lief es in den letzten Jahren deutlich besser, vor allem ruhiger.
Dennoch gehört es eben auch zur Philosophie der Münchener, immer schon einen Schritt weiter zu sein, voraus zu planen. So gab man vor Kurzem die Verpflichtung von Sebastian Rudy und Niklas Süle bekannt, die im Sommer zur Mannschaft stoßen. Die Verwunderung in Fußballdeutschland war recht groß – doch warum eigentlich?
Beiden wird nur ein Bankplatz prophezeit, zum x-ten Mal kommen all die Verweise auf die Baumjohanns, Kirchhoffs und Schlaudraffs, die von mittelmäßigen bis schlechten Bundesliga-Klubs kamen, doch beim FC Bayern ihr Potenzial nie so ganz abrufen konnten.
Wirtschaftlich sinnvoll?
Dabei passen beide Kandidaten hervorragend ins Konzept des FC Bayern. Zunächst betrachten wir einmal den wirtschaftlichen Aspekt. Für Sebastian Rudy mussten die Bayern soviel Ablösesumme aufbringen wie für Robert Lewandowski – nicht einen Cent.
Also selbst wenn Rudy überhaupt nicht funktionieren sollte, hat man da einen Nationalspieler der ein, zwei Jahre auf dem höchsten in Deutschland möglichen Niveau gespielt und trainiert hat. Für den Fall eines Abgangs wird der FC Bayern eine dementsprechende Ablöse generieren können.
Im Bezug auf Niklas Süle muss man sich noch weniger Sorgen machen. Die Münchener haben zwar einiges investiert, doch auf Grund des riesigen Potenzials von Süle sollte es kein Problem sein, ihn falls nötig gewinnbringend zu verkaufen.
Man muss angesichts des Einkaufspreises von rund 20 Millionen Euro auch mal festhalten, dass so ein Betrag mittlerweile Peanuts sind. Sollte er sich an der Säbener Straße durchsetzen können, wird er auf Jahre hinaus die Abwehr des FC Bayern verstärken und somit auch zu einer neuen Identifikationsfigur der Bayern werden.
Süle: Gleiches Profil wie Hummels und Boateng
Nachdem also die finanzielle Komponente geklärt ist, kommen wir zum wohl wichtigsten Aspekt der Verpflichtung. Was können die beiden Hoffenheimer Buben eigentlich auf dem Rasen? Eine Menge. Und auch eine Menge mehr als die oben genannten Spieler, mit denen sie des öfteren verglichen werden.
Allein Niklas Süle quillt quasi über vor Potenzial. Seinen 21 Jahren zum Trotz bringt er schon alles mit, was sich der Spitzenfußball im Allgemeinen und der FC Bayern im Speziellen von einem Innenverteidiger wünschen kann.
Süle ist ein robuster Modellathlet und verfügt über ein dementsprechend gutes Kopfballspiel. Weiterhin ist er sehr dynamisch, im Pressing nur schwer unter Druck zu setzen, und ist auch mit dem Ball am Fuß eine gute Option. Gerade in Spieleröffnungsmomenten kommt ihm seine Übersicht zu Gute, die ihn meistens korrekt einschätzen lässt, ob das Spiel gerade einen flachen Pass zum Nebenmann oder einen Diagonalball über das gesamte Feld erfordert.
Mit diesem Profil gleicht er seinen beiden zukünftigen Vereinskollegen Boateng und Hummels schon sehr. Natürlich muss Süle nochmal einen Sprung machen, um es auf das Niveau der beiden zu schaffen, gerade was die Konstanz seiner Leistungen angeht. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass er das durch das jahrelange Training mit Weltklasse-Spielern und fantastischen Trainern nicht lernen wird.
Rudy: Die graue Maus
Bei Sebastian Rudy ist die Sachlage eine andere. Dass hier nicht das gesamte Bayern-Lager enthusiastisch aufschreit, ist logisch. Schließlich ist der Mann für die Zentrale einer dieser stillen Arbeiter, die nicht glänzen, indem sie die großen Momente auf dem Feld haben. Rudy ist nicht prädestiniert für Highlight-Videos auf Youtube (es gibt nicht eines), so ist die Verwunderung erst einmal logisch.
Dennoch ist Rudy mehr als „brauchbar“. Er ist zweikampfstark, gleichzeitig sehr dynamisch. Was für Bayern jedoch am wichtigsten sein wird : Er verfügt über eine gute Übersicht, ist ziemlich pressingresistent und auch sein Passspiel weiß zu überzeugen.
Seine Standardsituationen sind ebenfalls nicht zu verachten. Mit seinem Allrounder-Profil wird er den ein oder anderen an Sebastian Rode erinnern, der jedoch technisch nicht so beschlagen war wie Rudy, und auch nicht die Fähigkeiten hatte den „tödlichen Pass“ zu spielen.
Man kann also guten Gewissens festhalten, dass Rudy mehr Qualität hat als all die „Gescheiterten“ mit denen er verglichen wird. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass mit dem FC Sevilla ein spanischer Spitzenklub über ein Jahr lang versucht hat ihn zu bekommen, und dass auch Bundestrainer Jogi Löw seit langer Zeit an Hoffenheims Nummer 6 festhält.
Vorgriff auf den Umbruch?
Durch die mit Spannung erwartete Vertragsverlängerung Robbens und den Abschied von Philipp Lahm wird es mittlerweile auch dem Letzten aufgefallen sein: Der FC Bayern steht vor einem Umbruch. Dem vielleicht wichtigsten seit Einführung der Champions League.
Wie passen Süle und Rudy in diese aufregenden Zeiten? Ziemlich perfekt mag man meinen. Süle sprengt die Altersstruktur in der Innenverteidigung komplett. Mit Martínez, Boateng und Hummels hat der FC Bayern drei 28-Jährige auf dieser Position. Spieler die alle jetzt auf ihrem körperlichen Zenit sind und was noch viel wichtiger ist, die alle ungefähr zur selben Zeit aufhören werden.
Jetzt keinen jungen Innenverteidiger zu holen, der noch die Chance erhält, von solch fantastischen Kollegen lernen zu können, wäre ein großer Fehler gewesen. Dazu ist Süle seit Kurzem auch Nationalspieler. Mit diesen Voraussetzungen kann er in den nächsten Jahren zu einem der Gesichter des FC Bayern werden.
Eine einzigartige Ansammlung an Fähigkeiten
Sebastian Rudys Arbeitsplatz sieht da schon interessanter aus. Im Mittelfeld verfügt der FC Bayern mit Joshua Kimmich und Renato Sanches über zwei irrsinnig talentierte Spieler, die in den nächsten Jahren viel erreichen können, aber eben auch noch viel lernen müssen.
Darüber hinaus gibt es mit Arturo Vidal nur einen unumstrittenen Weltklasse-Spieler. Thiago ist momentan quasi auf dem Sprung in diese Riege, Xabi Alonso dankt im Sommer ab. Warum also nicht eine Personalie holen, die quasi in allen Belangen eine Art Kompromiss zwischen „sehr talentiert und unerfahren“ und „absoluter Weltklasse“ darstellt.
Rudy hat natürlich nicht die Klasse eines Vidal, dennoch stößt da im Sommer jemand zum Team der aller Voraussicht nach über 200 Bundesliga-Partien absolviert haben wird. Auch auf dem Feld bringt er neue Impulse. Im Bayern-Mittelfeld gibt es solch einen ruhigen, zuverlässigen Allrounder momentan nicht.
Rudy ist eben nicht noch ein Box-to-Box-Player, sondern vielmehr ein Spieler der gerade durch seine Fähigkeit den letzten Pass zu spielen, extrem von Vorteil sein kann. Eine Waffe die dem Bayern-Mittelfeld in dieser Saison während der Verletzung von Thiago quasi komplett abging.
Dass Rudy und Süle nicht die Transfers sind, die das Champions League-Finale garantieren, ist unbestreitbar. Man kann sich jedoch sicher sein, dass der FC Bayern bereits Leute im Auge hat, die eine Stange mehr Geld kosten. Man ist schließlich immer schon einen Schritt weiter.