Warum der Münchner Umbruch unausweichlich ist

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Krise beim FC Bayern! Oder doch nicht? Die Gemengelage beim Rekordmeister ist komplex, der Ancelotti-Euphorie abgeebbt. Inside 11 beleuchtet den Plan des FC Bayern für diese Saison und zeigt, warum es momentan Probleme gibt – und ob diese Auswirkungen für die Zukunft haben.

Im Sommer herrschte beim Rekordmeister ausgelassene Stimmung. Nach drei Jahren unter Pep Guardiola sollte nun wieder ein Trainer übernehmen, den weite Teile der Fans deutlich sympathischer fanden als den akribischen Katalanen. Schließlich empfanden den ballbesitzlastigen Stil Guardiolas viele Bayern-Fans als langweilig und freuten sich auf schnelleren und attraktiveren Fußball unter Carlo Ancelotti.

Zeitgleich verkündete Franck Ribéry, dass er jetzt auch wieder so richtig Spaß habe am Fußball und trat amtlich gegen seinen nach Manchester abgewanderten Ex-Coach nach.

Auch die örtlichen Journalisten atmeten hörbar auf, war Guardiola doch so anstrengend gewesen. Pep verschloss sich gegenüber der Presse, gab kaum Interviews und wollte, wenn dem mal so war, auch nur über Fußball reden. Da ist der launige italienische Lebemann schon ein deutlich entspannterer Interviewpartner.

Von Euphorie und großen Fußstapfen

Mittlerweile sieht die Bayern-Welt bei weitem nicht mehr so rosig aus. Schließlich wurde nicht nur die Atmosphäre rund um den Verein menschlicher, sondern letztendlich auch die Leistungen auf dem Platz. Denn einen Vorteil schien das kalte, technische und präzise Bayern der letzten Jahre doch zu haben: Die Mannschaft hat genau so gespielt – Maschinen statt Menschen.

In der Bundesliga wurden die Gegner reihenweise zerlegt, selbst wenn es hier und da passierte, konnte man sich in den letzten Jahren nicht mehr so recht vorstellen, dass der FC Bayern ein Bundesligaspiel verliert. Ein Rekord nach dem anderen wurde gebrochen, Siege von fantastischer Höhe eingefahren, abstruse Ballbesitz- und Passwerte erzielt.

Gleichzeitig sehnten sich viele Fans nach mehr Herzlichkeit, mehr Familiengefühl und mehr FC Bayern. Schließlich wirkte Guardiola stets sehr unnahbar, verpflichtete darüber hinaus viele ausländische Spieler.

Den Fans, die dies kritisierten, musste der letzte Sommer mit der Hoeneß-Rückkehr und dem Hummels-Transfer wie ein Traum vorkommen. Dazu die schon erwähnte Aussicht auf „Besserung“, was den Spielstil angeht.

Doch es ging wenig traumhaft weiter, einem überlegenen 5:0-Sieg gegen Werder Bremen folgten quasi ausnahmslos krampfige Vorstellungen gegen Schalke, Hamburg, Ingolstadt und Köln. Einzig das sehr gute Heimspiel gegen die Hertha fällt hier aus der Reihe.

In der Champions League gibt es eigentlich gar keinen Grund für Kritik, ging der 0:1-Niederlage in Madrid beim Vorjahresfinalisten Atletico ein souveränes 5:0 gegen Rostov voraus.

Doch der FC Bayern hat im Herbst 2016 auch (noch?) kein Problem mit den Ergebnissen. In der Bundesliga wurden alle Spiele bis auf das gegen Köln gewonnen und auswärts gegen Atlético tut sich jedes Team schwer. Also eigentlich doch alles super beim Rekordmeister? Mitnichten.

Bayern überzeugt nur selten

Dass man angesichts der Ergebnisse auf hohem Niveau meckert, sollte betont werden. Meckern kann man trotzdem. Nämlich über die Spielweise des FC Bayern. Die beispielsweise dazu führt, dass man gegen Schalke (0 Punkte) ein ausgeglichenes Spiel nur durch individuelle Klasse gewinnt.

Dass man Probleme hat mit einem FC Ingolstadt, der bei weitem nicht so überzeugend spielt wie in der letzten Saison. Oder dass man nach dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln zugeben muss, nur mit Glück noch 1:1 gespielt zu haben.

Von den unter Ancelotti erhofften Verbesserungen ist noch wenig bis nichts zu sehen. Man spielt ein ganzes Stück passiver als unter Pep, steht tiefer – dennoch fehlt offensive Durchschlagskraft. Gleichzeitig ist skurilerweise die Defensive nicht deutlich stabiler.

Die Chancenverwertung des FC Bayern ist katastrophal. Es bleibt jedem frei zu entscheiden, ob dies an zu wenig erarbeiteten Möglichkeiten oder den Abschlussqualitäten liegt.

Ancelotti als Buhmann?

Jetzt bietet sich der Schluss an, dass unter Pep alles super war und unter Ancelotti alles deutlich schlechter. Wie so oft ist es natürlich nicht ganz so einfach. So hat Bayern auch in der letzten Transferphase einiges verschlafen.

Dass man Mario Götze trotz des Willens sich durchzusetzen nach Dortmund abgeschoben hat, war im Endeffekt wohl die richtige Entscheidung. Für Götzes Kaderplatz jedoch keinen Ersatz zu holen ist bis heute unverständlich.

Ebenso schwer nachzuvollziehen ist die Entscheidung, lediglich mit Robert Lewandowski in die Saison zu gehen. Der FC Bayern ist der einzige Klub der ohne Backup für seinen Stürmer startet. Thomas Müller funktioniert als alleinige Spitze nicht, alle anderen Offensivspieler sind für diese Rolle gänzlich ungeeignet.

Ebenso verfügt der FC Bayern lediglich über fünf Mittelfeldspieler für drei Positionen, wobei Xabi Alonso seinen Zenit klar überschritten hat. Dazu dürften Kimmichs und Sanches‘ Leistungen, vollkommen nachvollziehbar, Schwankungen unterliegen. Auch hier hätte man im Sommer reagieren können.

Neustart nach dem Henkelpott?

Zusammengenommen bildet der Kader des FC Bayern nicht zwingend die Basis für einen Champions-League-Sieg. Doch genau dafür scheint diese Saison vorgesehen. Mit Carlo Ancelotti verpflichtete man einen Trainer, der in eben diesem Wettbewerb drei Triumphe vorzuweisen hat. Kein Trainer war hier erfolgreicher. So einen Mann holt man nicht für den Umbruch.

Dazu passend wurden alle Leistungsträger gehalten, mit Mats Hummels die Defensive noch einmal gestärkt. Ancelotti scheint diesem gestandenen Personal zu vertrauen, hat offensichtlich nicht den Anspruch bzw. die Aufgabe, junge Spieler zu fördern. Wurde doch beispielsweise Kimmich trotz seiner Überform gegen Atlético außen vor gelassen.

Man hofft also auf eine letzte Weltklasse-Saison von Spielern wie Lahm, Robben, Ribéry und Alonso um mit dieser geballten Erfahrung und Ancelottis Kompetenz die dringend nötige Umbauphase mit einem Champions-League-Titel einzuleiten.

Doch im Moment wirkt es so, als würde der FC Bayern um eben jenen Umbruch nicht mehr herum kommen. Zu offensichtlich sind beispielsweise die Defizite eines Alonso, zu eklatant die ständigen Verletzungssorgen der Weltklasse-Flügelzange.

In spätestens zwei Jahren sollte der FC Bayern eine neue Ära einleiten. Mit Führungsspielern wie Müller, Neuer und Boateng. Eventuell gibt es nach dem Abschied von Rib und Rob sogar eine Abkehr vom flügellästigen Spielstil. Ganz sicher aber gibt es den nächsten neuen Trainer.

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