In Zukunft weniger Polizei in den Stadien?

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Diese Nachricht sorgte gestern für Aufsehen: Ralf Jäger, SPD-Innenminister in Nordrhein-Westfalen, plant, das Polizeiaufgebot in den Fußballstadien zu verringern. Fußball in NRW gänzlich ohne Polizei? – die ersten Reaktionen sind leicht hysterisch. Doch in Ruhe betrachtet, wird schnell klar: Vieles an den Vorschlägen ergibt Sinn! Inside 11 mit einem Kommentar zu dem Vorstoß Jägers.

Nachdem vor einigen Wochen der Bremer Senat beschlossen hat, sich die Polizeieinsätze in Bremen zukünftig bezahlen zu lassen, sind die Gemüter ohnehin erhitzt. Nun also macht der Innenminister Nordrhein-Westfalens einen anderen Vorstoß: Ralf Jäger möchte die Polizeipräsenz verringern, auf Bereitschaftspolizei teilweise vollständig verzichten. Das klingt zunächst radikal und schnell kommen Vorstellungen auf von eskalierenden Derbys, etwa zwischen den Erzrivalen Dortmund und Schalke. Und das ohne Polizei? Auf den ersten Blick scheint es, als wolle Jäger es Bremen nachmachen, sich dabei bloß geschickter verhalten: Erst die Polizei weglassen. Dann, nach Eskalationen, Geld fordern.

Weniger Abschreckung, mehr Deeskalation

Doch die Reaktionen sind unbedacht, Panik fehl am Platze. Beschäftigt man sich etwas eingehender mit den Vorschlägen aus dem Innenministerium, so wird schnell klar, dass das Ganze so radikal nicht ist: Geplant ist, das Konzept zunächst an vier Spieltagen zu testen. Dabei geht es grundsätzlich eben gerade nicht um Risikospiele, sondern um Begegnungen, die in den letzten drei Jahren nie zu Gewalt führten. So etwa das Gastspiel von Mainz 05 in Leverkusen. Hier möchte Jäger Beamte einsparen, auf unnötige Bereitschaftspolizisten verzichten. Das bedeutet nicht, dass weit und breit keine Ordnungskräfte da sind, falls etwas passiert. Es wären bloß deutlich weniger.

Des Weiteren plant man im Innenministerium, die Strategie zu verändern, stärker auf Deeskalation zu setzen: So sollen sich jene Hundertschaften, die bei Risikospielen natürlich nach wie vor zugegen sind, stärker im Hintergrund aufhalten. Sie sind nur noch für den Fall der Fälle eingeplant, nicht als mahnende Abschreckung. Wer regelmäßig Stadien besucht, der ist es gewohnt, immer mal wieder an komplett gepanzerten Ordnungshütern vorbei zu gehen. Teilweise postieren sich die Polizisten gar weit gestaffelt an Eingängen, dann muss man sich an ihnen vorbeizwängen. Das setzt klar auf Abschreckung – und ist unter Experten höchst umstritten.

Jene gewaltbereiten Fans, die eine Minderheit ausmachen, fühlen sich dadurch nämlich oft vielmehr provoziert, als eingeschüchtert. Und tatsächlich mutet das Auftreten auch dem „normalen“ Stadiongänger zuweilen etwas provokant an. Eine solche Strategie signalisiert nicht Friedlichkeit. Mit den Muskeln zu strotzen, ist weder Zeichen von Souveränität, noch wirkt es deeskalierend.

Deutsche Stadien sind kein Hort von Gewalt

Insofern ist eine Vorgehensweise zu begrüßen, die auf Dialog setzt und die Vereine stärker in die Verantwortung nimmt – was Prävention anbelangt. Deutsche Stadien sind kein Hort von Gewalt, sondern im großen Durchschnitt friedlich und sicher. Dieser Zustand muss verfestigt und zuweilen verbessert werden. Natürlich kommt es immer wieder zu Gewalt, auch zu Angriffen auf vollkommen unbeteiligte Polizisten. Das darf nicht verschwiegen oder verharmlost werden. Allein, diese Vorkommnisse sind selten, und sie kommen eben praktisch nie vor bei der Begegnung Leverkusen gegen Mainz. Und diese Beispiele sind eindeutig in der Mehrzahl.

Es ist richtig, Kosten da zu sparen, wo sie absolut vermeidbar sind. Und es sollte nicht unser Selbstverständnis sein, dass Großveranstaltungen zwangsläufig als potentiell gewalttätig eingestuft werden. Niemand fordert, die Polizei gänzlich abzuziehen. Vielmehr soll intelligenter agiert werden – das spart im besten Fall dem nicht gerade reichen Land NRW Kosten und Beamten wie Fans Nerven. So verwundert es nicht, dass gerade konservative Hardliner gegen Jägers Vorschläge poltern. Gewalt lässt sich nicht mit der Androhung von Gegengewalt verhindern, vollkommene Sicherheit zudem nie garantieren. Es ist Zeit, das einzusehen und intelligente, moderne Strategien zu finden. Der Vorstoß aus NRW könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.

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