Quo vadis, HSV?

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Mirko Slomka musste beim Hamburger Sportverein nach nur drei Spieltagen seinen Hut nehmen. In kurzer Zeit ist aus der Hoffnung auf einen sauberen Neuanfang unter „HSVPlus“ ein Scherbenhaufen geworden und es muss wieder neu begonnen werden. Josef „Joe“ Zinnbauer übernimmt die erste Mannschaft zwar bis auf weiteres, dennoch steht der Verein vor einer Grundsatzentscheidung.

Enttäuschender Start

Der Frust sitzt tief im Herzen des eingefleischten HSV-Fans. Selten war die Hoffnung auf eine ruhige Saison so groß gewesen wie 2014/15. Zum Ende der abgelaufenen Spielzeit wurde die Klasse knapp gehalten und vor allem die Vorlage „HSVPlus“ durchgewunken. Damit ist es fortan möglich, über Aktien in die Fußballabteilung des HSV zu investieren, was sogleich passiert ist (Kühne). Die finanziell mageren Jahre schienen vorbei und der Kader konnte nach den Wünschen des Trainers aufgebessert werden.

Lasogga wurde von der Hertha fest verpflichtet und das Mittelfeld mit Behrami und Holtby klar aufgewertet. Hinzu kommen die offensiven Hoffnungsträger Zoltan Stieber und Nicolai Müller und hinten sollte mit Cleber und Ostrzolek Druck auf das vorhandene Personal ausgeübt werden. Mit Slomka war außerdem ein erfahrener und nachweislich hochwertiger Trainer da, der nun mit der Mannschaft eine ganze Vorbereitung absolvieren konnte. Alles da für den Erfolg? Denkste.

Der Saisonstart verlief denkbar schlecht. Auf ein trost- und torloses Remis gegen den Aufsteiger aus Köln, woraus man noch Positives zu ziehen versuchte, folgte eine Heimpleite gegen die Neulinge aus Paderborn und eine Blamage in Hannover, die der Mannschaft alle Schwächen schonungslos aufdeckte. Hinten war keinerlei Organisation zu erkennen und nach vorne blieb man bis auf wenige gute Momente harmlos. Als direkte Folge musste Slomka nun seinen Trainerstuhl räumen und die sportliche Führung um Dietmar Beiersdorfer steht trotz Zinnbauer vor einer wegweisenden Entscheidung.

Heikle Grundsatzentscheidung

Vorerst gibt man dem ehemaligen U23-Coach die Chance, etwas zu bewegen. Dies erscheint allerdings relativ utopisch, bedenkt man, dass die nächsten beiden Gegner Bayern München und die Borussia aus Gladbach sein werden. Das Horrorszenario, nach fünf Spieltagen mit einem mageren Pünktchen am Tabellenende zu stehen, liegt nicht mehr fern. Und die Verantwortlichen des HSV stehen unter Zugzwang.

Eine Überlegung muss es sein, bereits jetzt mit Blick in die Zukunft einen Trainer zu verpflichten, dem man zutraut, die Mannschaft auch mittel- und langfristig weiterzubringen. Diese scheinbar logische Vorgehensweise birgt allerdings Schwierigkeiten. Einerseits wäre wohl mit Anpassungsschwierigkeiten zu rechnen, da der Trainer auch langfristig denken und versuchen würde, sein System von Beginn weg durchzuziehen. Je nachdem wie lange die Mannschaft brauchen würde, dieses ohne Vorbereitung umzusetzen, wäre da auch die Gefahr einer weiteren Saison im Abstiegskampf nicht von der Hand zu weisen.

Langfristige Lösung oder „Feuerwehrmann“?

Andererseits müsste ein solcher Kandidat auch verfügbar sein. Der Name Thomas Tuchel fällt einem sofort ein, der aber eine Freigabe des 1. FSV Mainz 05 benötigte und möglicherweise auch wenig Lust verspürt, sich auf den Schleudersitz in Hamburg zu setzen. Auch André Breitenreiter von Paderborn, der einst 71 Bundesligaspiele für den HSV absolviert hat oder Alexander Zorniger aus Leipzig wären zumindest theoretisch denkbar.

Eine andere Möglichkeit wäre es, einen klassischen „Feuerwehrmann“ oder – etwas weniger dramatisch formuliert – einen kurzfristigen Stabilisator an Bord zu holen. Huub Stevens hat diesen Job bereits in Stuttgart vergangene Saison sehr zufriedenstellend erledigt. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass man einen Mann holte, der wüsste, was es braucht, um sofortige Erfolge verzeichnen zu können.

Die eigentliche Problematik wäre dann aber nur aufgeschoben und nicht aufgehoben und mit großen Erfolgen könnte in diesem Jahr auch nicht gerechnet werden. Beiersdorfer hätte dann allerdings Zeit, sich um einen Kandidaten für den nächsten Sommer zu kümmern, der nun noch kein Thema sein kann. Tayfun Korfut oder Peter Stöger könnten sich zu Kandidaten für ein Kaliber wie dem HSV entwickeln.

Sehnsucht nach Erfolg

Ganz optimal für den Verein wäre es natürlich, wenn Josef Zinnbauer Alle überraschen und die Mannschaft zu unerwarteten Erfolgen führen könnte. Ansonsten könnte man auch Thomas Tuchel durchaus als Vorzeigelösung betrachten, da er aus Mainz die Situation durchaus kennt, ohne Vorbereitung mit einer verunsicherten Mannschaft sofort Erfolg haben zu müssen. Zudem stehen mit Holtby und Müller zwei seiner ehemaligen Schützlinge im Kader. Ob das in naher Zukunft realisierbar ist, bleibt abzuwarten, erscheint aber wie beschrieben eher unwahrscheinlich.

Der Druck auf Beiersdorfer und sein Gremium ist auf jeden Fall enorm. Der Verein ist selten mit solch guten Vorzeichen in eine Saison gestartet, der Kader ist der beste der letzten Jahre und die Fans aus der Hansestadt Hamburg dürsten wie nie nach einer erfolgreichen Spielzeit. Doch erst muss der HSV die Kurve kriegen und bald beginnen, Punkte zu sammeln. Die Liga scheint ausgeglichen und es ist nicht davon auszugehen, dass 27 Punkte erneut zum Klassenerhalt reichen werden.

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