Die norditalienische Stadt Sassuolo hat nur etwa 40.000 Einwohner und war über Jahrzehnte lediglich für die dort ansässige Fliesenindustrie bekannt. Seit der Provinzklub US Sassuolo Calcio 2013 in die Serie A aufgestiegen ist, begeistert aber vor allem der Fußball, der in in Sassuolo gespielt wird.
Die Anfänge: Geführt von einem Keramiker
Im Juli 1920 schlug die Geburtsstunde von Sassuolo Calcio, welches in den kommenden Jahren nur Turniere in der italienischen Provinz Emilia-Romagna spielen sollte. In den Vierzigern schaffte man es zumindest, den Wirkungskreis bis in die angrenzenden Provinzen Toskana und Ligurien zu erweitern.
Die erste wirklich bemerkenswerte Entwicklung erfolgte aber erst 1966: Die zwei Fußballclubs der Stadt, Sassuolo Calcio und Sassuolo Sportiva, schlossen sich zu Sassuolo Sportiva Football Club zusammen – der erste Präsident war der Keramiker Anotonio Coughi. 1968 schafften sie den Aufstieg in die Serie D, die fünfte italienische Liga, 1980 schließlich der Durchbruch in die Serie C2, die vierte Liga.
Erst im Jahr 2006 gelang der Aufstieg in die Drittklassigkeit, nachdem Sassuolo in den Jahren zuvor zweimal haarscharf am Abstieg vorbeischrammte. Vier Jahre später kamen die Norditaliener dann in die Serie B, und letztendlich 2013 in die Serie A – schon hier kann man von einem Wunder sprechen.
Das Erfolgsrezept: Fliesenkleber und Optimismus
Wer hätte 2004 gedacht, dass Sassuolo in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts Mannschaften wie Inter und AC Mailand besiegen würde, wo die Emilianer sich doch gerade erst vom Absturz in die Fünftklassigkeit gerettet hatten?
Diese irreale Fiktion wurde 2013 Wirklichkeit und nun standen der Mannschaft aus Emilia statt Poggibonsi oder Torvis Snia Teams wie SSC Napoli oder Juventus Turin gegenüber. Bemerkenswert ist auch, dass es der David durchaus mit dem Goliath aufnehmen kann: In der Premieren-Spielzeit vermied sie den Abstieg zwar nur mit zwei Zählern, konnten aber Achtungserfolge gegen AS Rom (1:1), Neapel (1:1) und den AC Milan (4:3) verbuchen.
In der aktuellen Spielzeit sieht es dagegen noch deutlich besser aus: Gegen Juve und AS spielte man Remis (1:1, 2:2), gegen AC Mailand und Inter Mailand konnte das Team sogar gewinnen (2:1, 3:1). Leistungen wie diese werden belohnt mit dem 12. Tabellenplatz, Sassuolo reiht sich zwischen Starensembles ein: Die Momentaufnahme der Tabelle zeigt die Reihenfolge Inter, Sassuolo, Udinese Calcio.
Unterstützung vom Großkonzern
Ganz ohne Hilfe geht es dann aber doch nicht. Wie bereits anfangs erwähnt, ist die Industriestadt Sassuolo seit jeher nationales Ballungszentrum der Fliesenindustrie – dies spiegelt sich auch im Verein wider. Der italienische Groß-Chemiekonzern MAPEI, der sich auf Fliesenkleber spezialisiert hatte, prangt auf den dunkelgrün-schwarzen Trikots der Norditaliener und unterstützt diese in Sachen Finanzen seit deren Profitum.
Dies geschieht jedoch nicht im Geringsten in den Ausmaßen wie dies bei Vereinen wie der TSG Hoffenheim oder RB Leipzig der Fall ist. Vor dem Erfolg der US Sassuolo half vor allem Eines, um zu eben jenem zu kommen: Eine große Portion Optimismus.
Die Zukunft: Das italienische Augsburg?
Liest man diese Geschichte, so erkennt der ein oder andere wohl Parallelen zum schwäbischen FC Augsburg – auch dieser spielte Jahrzehnte lang nur im Amateurbereich und hat sich mittlerweile in der Bundesliga etabliert. Kann Sassuolo das auch schaffen?
Nun, was ist eigentlich nicht möglich bei diesem Verein? Zudem ist eine finanzielle Grundlage gegeben: Giorgio Squinzi, Sohn des MAPEI-Gründers Rodolfo Squinzi und Chef des Konzerns hält Anteile vom Klub und kann jederzeit investieren – was er bisher aber nur moderat tat und so die Fußball-Romanze am Leben hält.
Auch in sportlicher Hinsicht ist eine Basis gelegt: Im Klub spielen einige junge, talentierte Spieler wie der 20 Jahre alte Domenico Berardi, der eine herausragende Torquote hat und wohl bald für viel Geld zu einem namhaften Verein wechseln wird. Oder auch der 23-jährige Italiener Nicola Sansone, an dem Schalke 04 interessiert sein soll.
Fest steht, dass im modernen Fußball Geschichten wie diese rar gesät sind. Doch nun dürfen die Fußballfans aus der italienischen Fliesenstadt noch weiter gebannt verfolgen, ob der Kleber trocknet und Sassuolo in der Serie A festigt – oder ob der Gegenwind zu stark ist und lösend wirkt.