Welche Rolle spielt die Major League Soccer in den nächsten Jahren?

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Steven Gerrard, Andrea Pirlo, Frank Lampard, David Villa, Kaka – all diese Spieler eint die Tatsache, dass sie Champions-League-Sieger wurden. Allerdings gibt es noch eine Gemeinsamkeit: Sie alle spielen mittlerweile in Nordamerika Fußball – genauer gesagt in der MLS. Doch wo steht die Liga, in die nun auch noch Dider Drogba wechseln wird? Inside 11 verrät, ob die USA nur eine Alternative zu Katar ist, oder ein sportlich reizvoller Wettbewerb, der mittelfristig zu den europäischen Ligen aufschließen kann.

Nur eine Alternative zu Katar?

Die MLS befindet sich momentan im Jahr Null. Es zog bereits eine Menge Stars in die Liga, zuletzt Steven Gerrard. Des weiteren startete in diesem Jahr die Marketingoffensive „MLS Next“ in dessen Rahmen es auch ein neues Logo gab und gleich zwei neue Mannschaften: New York City FC und Orlando FC. Die Entstehungsgeschichte vom neuen Klub aus dem Big Apple steht sinnbildlich für das Potential der US-Liga, ist er doch ein gemeinsames Projekt des Baseball-Giganten New York Yankees und des Scheichklubs Manchester City.

All diese Faktoren zeigen, dass die MLS im Wandel ist und sich langsam aber stetig entwickelt. Und dann ist da noch ein bemerkenswertes Ereignis – und zwar der Wechsel von Giovani dos Santos. Dieser ist natürlich nicht so bekannt wie die Gerrards, Pirlos und Lampards, jedoch deutlich jünger. Und das ist der springende Punkt. Dass ein 26-Jähriger, der im letzten Jahr beim spanischen Tabellensechsten Stammspieler war, und in sieben Europa-League-Einsätzen an sieben Toren beteiligt war, in die MLS wechselt, kann als Zeichen gewertet werden, dass es den Verantwortlichen ernst ist, die Liga sportlich auf ein neues Level zu hieven.

Die MLS funktioniert anders

Man will mehr bieten als nur ein Schaulaufen der Altstars um die Zuschauer in die Stadien und vor den Fernseher zu locken. Und der Plan scheint aufzugehen. Die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren sind steigend, vor kurzem wurde zwischen der Liga und Eurosport ein Vertrag geschlossen, der dem Sender die TV-Rechte für Europa sichert. Um finanziell zu gesunden wird seit geraumer Zeit angestrebt, ausschließlich in reinen Fußballstadien zu spielen. Mittlerweile sind es nur noch sechs Teams, die sich ihr Wohnzimmer teilen müssen.

Das wachsende Interesse am Fußball in der amerikanischen Bevölkerung hängt sicherlich auch mit der Liga bzw. dem dort angewendeten Regularien zusammen. Die MLS funktioniert wie viele andere Sportligen Nordamerikas, beispielsweise auch die NBA. Die Unterschiede zum Fußball in Europa sind recht auffällig.

Gehaltsgrenzen und die „Beckham-Rule“

Allen voran wäre da wohl die Tatsache dass die MLS sowohl für die Spieler, als auch für die Teams eine Gehaltsobergenze festgelegt hat. Eine Ausnahme gestattet die sogenannte Designated Player Rule. Umgangssprachlich wird sie oft auch als Beckham-Rule bezeichnet, da es diese Regel war die LA Galaxy den Transfer von David Beckham erlaubte. Jedes Team kann drei solcher Designated Player aufnehmen, diese können ein deutlich höheres Gehalt beziehen als die anderen.

Die Gehaltsobergrenze darf also überschritten werden. Anders wäre die Verpflichtung internationaler Stars kaum möglich, denn das höchste Gehalt für Spieler mit regulärem Vertrag beläuft sich auf gerade einmal 355.000 Dollar pro Jahr. Zum Vergleich: Sebastian Giovinco – der Italiener wechselte im Sommer 2014 von Juventus Turin in die MLS – hat bei Toronto einen Designated Player-Vertrag der ihm pro Jahr 7,11 Millionen Dollar einbringt. Nur Kaka verdient noch mehr.

Vor allen Dingen die größer werdenden Transfers und das wachsende Interesse der Öffentlichkeit sprechen dafür, dass die MLS mit ihrem Wachstum noch lange nicht am Ende ist. Im Gegenteil, die Liga rüstet auch zahlenmäßig auf. Das ursprüngliche Ziel war, bis 2020 24 Teams in der Liga zu haben. Stand jetzt sind es 2018 bereits 23. Dazu kommt das MLS-Franchise aus Miami, dessen Startsaison noch unbekannt ist.

Kommt Ibrahimovic?

Abschließend muss man sagen, dass die MLS gerade von den Spielern die aus Europa dort hinwechseln, zuallererst als sportlich interessanter Wettbewerb wahrgenommen wird. Drogba, Pirlo und Co. verdienen nicht schlecht, jedoch wechselt niemand in erster Linie des Gehalts wegen in die MLS – sondern eher aus Neugier auf Land, Leute und den im Vergleich zu Europa veränderten sportlichen Regularien. Kein Wunder also, dass kürzlich selbst Zlatan Ibrahimovic betont hat, noch einmal in die MLS wechseln zu wollen.

Für Stars von außerhalb ist also gesorgt, doch wie steht es um den Nachwuchs? Dadurch dass Basketball, Baseball, Football und Eishockey etabliertere Sportarten sind, die medial deutlich repräsentierter sind, hat es der Fußball unverhältnismäßig schwerer als in Europa. Ein weiteres Hindernis ist die Gehaltsgrenze, womit nicht die Existenz dieser gemeint ist, sondern die Höhe. Beispielsweise liegt diese in der NBA bei rund 700.000 Dollar. Es scheint logisch, dass die meisten jungen US-Amerikaner andere Sportarten dem Fußball vorziehen.

Aus der MLS nach Europa?

Dennoch gibt es ein paar wenige junge Spieler, die sich in der MLS durchgesetzt und den Sprung nach Europa geschafft haben. Zuallererst denkt man hier wahrscheinlich an Freddy Adu, der vor Jahren in den USA einen Hype um sich auslöste, weil er als eines der größten Talente der Welt galt. Er bekam bereits mit 14 Angebote von Manchester United, und spielte bereits mit 12 (!) in der U20-Nationalmannschaft. Er wechselte 2007 im Alter von 18 Jahren zu Benfica Lissabon, wurde in den folgenden Jahren oft verliehen und war des öfteren vertragslos. Zuletzt spielte er sogar in der vierten finnischen Liga, vor kurzem hat er sich den Tampa Bay Rowdies angeschlossen.

Es gibt jedoch auch Gegenbeispiele. Andy Najar zum Beispiel. Der rechte Mittelfeldspieler lief drei Jahre lang für DC United auf, bevor er im Sommer 2013 zum RSC Anderlecht wechselte. Er nahm 2014 mit Honduras an der WM teil und war im letzten Jahr Stammspieler des belgischen Hauptstadtklubs.

DeAndre Yedlin (22 Jahre) wäre auch so ein Fall. Der in Seattle geborene Rechtsverteidiger wusste nicht nur für die Seattle Sounders zu überzeugen, sondern auch bei der WM in Brasilien, die er für das US-Nationalteam bestritt. Tottenham verpflichtete Yedlin, der vor allen Dingen durch seine Schnelligkeit besticht, nach der WM für 2,6 Millionen Euro und verlieh ihn anschließend für ein halbes Jahr zurück nach Seattle, damit Yedlin die Saison abschließen konnte.

LA Galaxy und Seattle Sounders als Vorzeigeteams

Dass ausgerechnet ein US-Amerikaner aus Seattle den Sprung nach Europa schafft ist alles andere als ein Zufall. Seattle ist eine der Fußball-Hochburgen in den USA. Die Mannschaft ist Rekordpokalsieger. Zudem spielt Clint Dempsey, der 114 Länderspiele für die Nationalmannschaft absolviert hat, seit letztem Jahr für die Sounders. Ebenso ist der Zuschauerschnitt im Vergleich zum Rest der Liga ungewöhnlich hoch.

Hier sollte allerdings erwähnt werden, dass Seattle von zwei Faktoren profitiert. Zum einen trägt die Mannschaft ihre Spiele im Century Link Field aus, dass eigentlich dem Football-Team Seattle Seahawks gehört. Zum anderen kommt dem Fußballteam mit Sicherheit zu Gute, dass Seattle neben den beiden genannten Teams lediglich nur noch über ein Baseball-Team (Seattle Mariners) verfügt. Kein Basketball, kein Eishockey. Da bleibt mehr Platz für den Fußball.

Ein weiteres, wenn nicht das Vorzeigefranchise der USA ist LA Galaxy. Das Team erlangte mit dem Transfer von David Beckham weltweit Berühmtheit und ist seitdem der Verpflichtung europäischer Stars treu geblieben. Steven Gerrard, Robbie Keane und der bereits genannte Giovani dos Santos sorgen dafür, dass LA wieder der Topfavorit auf den Gewinn der Meisterschaft ist. Bereits sechs Mal gelang dieses Vorhaben, was das Team zum Rekordmeister macht.

Faktor Medienpräsenz

Die MLS-Allstars gewannen vor kurzem das Allstar-Game gegen die Tottenham Hotspurs. Auch wenn das nur eine Randnotiz ist – schaut man sich die US-Liga im internationalen Vergleich an, muss man feststellen, dass noch kein MLS-Team die CONCACAF Champions League gewinnen konnte. Die mexikanischen Teams sind denen aus der USA noch überlegen.

Die Frage, die über das Wachsen der MLS entscheidet, ist: Wieviel Platz lassen NBA, MLB, NFL und NHL? Schließlich gehört die USA in allen vier Sportarten auch international zur absoluten Weltspitze – teilweise stellt sie diese sogar alleine da. Mit so wenig Medienpräsenz irgendwann an die europäischen Ligen heranzureichen, ist für die MLS eigentlich unmöglich. Doch reden wir nicht vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten?

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