„Unrauswerfbar“ – so bezeichnete Manager Max Eberl unlängst seinen starken Mann an der Seitenlinie: Lucien Favre. Dies hat sich bewahrheitet, denn der Schweizer ist nach fünf Niederlagen zum Saisonauftakt freiwillig gegangen, was für viele Fans und wohl auch die Gladbacher Verantwortlichen sehr überraschend kommt. Es sind harte Wochen für die Anhänger der Borussen, dennoch muss jetzt der Blick auf einen Nachfolger gerichtet werden. Dazu stellt Inside 11 einige Kandidaten und die mit ihnen einhergehenden Ideen vor.
Das Erbe des „Monsieur Favre“
Nun ist er also weg und so manch eingefleischter Anhänger von Borussia Mönchengladbach wird sich nicht alle Tränen verdrücken können. Erfolgstrainer Lucien Favre verlässt den Verein und tritt nach dem Fehlstart zurück. Der Romand hat die Borussia einst von den Abstiegsrängen via Relegation retten können und seitdem eine sensationelle, nachhaltige Erfolgsstory geschrieben. Diese fand letzte Saison mit dem direkten Einzug in die Champions League ihren vorläufigen Höhepunkt.
Favre hinterlässt eine an sich eingespielte Mannschaft mit vielen hochwertigen und interessanten Spielern, allerdings erscheint die Kaderstruktur etwas unausgewogen. Es stehen beispielsweise sechs Innenverteidiger (von denen drei aber noch keine 21 Jahre alt sind) nur vier zentralen Mittelfeldspielern gegenüber, wobei Dahoud noch sehr unerfahren und Stindl lieber weiter vorne spielt. Dennoch ist die Mannschaft mit Sicherheit für so machen Trainer sehr attraktiv.
Mit Hyänen-Pressing zum Volksheld
Doch wem wäre es zuzutrauen, die Mannschaft zu stabilisieren und den Weg, der eingeschlagen wurde, auch langfristig weiterzugehen? In den Augen des Autors ist die Zeit für einen reinen Feuerwehrmann, der maximal bis Saisonende wirkte, noch nicht gekommen. Es sind mithin erst fünf Spieltage absolviert und die Mannschaft macht keineswegs einen desolaten Eindruck.
Ein Name, um den man kaum umhin kommt, ist Jürgen Klopp. Der (ehemalige) Dortmunder Volksheld ist seit diesem Sommer ohne Arbeitgeber und die Fussballwelt fragt sich, wie er sich seine Zukunft vorstellt. Mit den Bayern wird er oft in Verbindung gebracht, allerdings ist keinesfalls gesichert, dass erstens Pep Guadiola den Rekordmeister demnächst verlässt und zweitens auch nicht, dass Klopp dann eine Nachfolge-Kandidat wäre.
Der Meister-Trainer von 2011 und 2012 könnte auch nach England schielen, beispielsweise nach Liverpool zu den Reds. Diese würden von Tradition, Fanbasis und Anspruch gut zu Klopp passen, allerdings ist auch dort noch ein Trainer im Amt. Ein anderes Land kommt für Klopp wohl nicht in Frage, da seine mitreissende Art und Weise und sein menschlicher, naher Umgang mit seinen Schützlingen gute sprachliche Austauschmöglichkeiten voraussetzt.
Das Feld ist bestellt
So gesehen könnte Klopp Borussia Mönchengladbach durchaus in Erwägung ziehen. Ein Traditionsverein mit vielen Fans in Deutschland, dessen Potential nicht vollends ausgeschöpft ist. Dazu kommt, dass mit Max Eberl ein nachgewiesen guter Manager installiert ist. Fraglich ist allerdings, ob sich die Gladbacher einen Klopp salärtechnisch leisten könnten und ob dieser so bald nach Ende seines Engagements in Dortmund wieder in der Liga tätig sein möchte.
Gladbachs Kader würde nicht schlecht zu Klopps Fußball passen. Viele formbare junge Spieler stehen im Dienste der Fohlen, ebenso wie schnelle Flügelspieler. Ganz hohes Pressing wie der BVB in seinen jüngsten Glanzzeiten spielte Gladbach zwar nie, dennoch sind die grundlegenden Strukturen auf jeden Fall vorhanden, denn in der eigenen Hälfte wurde sehr wohl mannschaftlich viel Druck auf den Gegner ausgeübt und Umschaltsituationen wie Klopp sie mag kreiert und ausgespielt. Die Grundlagen sind auf jeden Fall gelegt.
Zurück zur defensiven Tugend…
Ein interessanter Name wäre ein weiterer Schweizer: Murat Yakin. Der ehemalige Abwehrspieler war zwei Jahre lang beim FC Basel im Amt und wurde in beiden Jahren Meister und überzeugte auch international mit guten bis teils grandiosen Auftritten, unter anderem wurde das Halbfinale der Europa League erreicht und gegen den FC Chelsea nur unglücklich verloren. Yakin ist zur Zeit ebenso ohne Arbeitgeber.
Der FC Basel von Murat Yakin überzeugte vor allem durch eine disziplinierte und sehr ergebnisorientierte Spielweise. Attraktivität stand klar nicht an erster Stelle, sondern nüchterner, solider Fußball. Natürlich verfügte sein Team über offensive Qualitäten und spielte sich national wie auch international stets gute Möglichkeiten heraus, doch Hauptaugenmerk lag auf einer Abwehr, die wenig bis nichts zulässt.
So ließe sich die Spielphilosophie Favres durchaus fortsetzen, der ja trotz seiner Vorliebe für Ballbesitz als eher defensiver Trainer gilt und dessen Gladbach sich auch stets löblich darin hervor tat, wenige Gegentore zu bekommen. Murat Yakin gilt allerdings im Umgang mit seinen Spielern als schwieriger Zeitgenosse und nicht eben als einfühlsamer Betreuer. Da müsste Eberl sich vielleicht mal bei Yann Sommer erkundigen.
…oder aber couragiertes Kombinationsspiel?
Als weitere Alternative käme Gertjan Verbeek ins Spiel. Der kauzige Niederländer wäre nach Pressing-Experte Klopp und Stabilisator und Defensivfuchs Yakin ein dritter möglicher Entwurf, der attraktives Angriffsspiel und Ballbesitzfokus wieder in den Mittelpunkt stellen würde. Verbeek steht für mutigen, schnellen Fußball ohne viel Rücksicht auf Verluste. Sicherlich ein gewisses Risiko, nicht ohne Grund stieg Nürnberg damals nach seiner Amtszeit noch ab. Viele damalige Nürnberger aber äußerten sich noch lange nach seinem Abgang lobend für den Fußball-Lehrer. Einer von ihnen steht jetzt auch im Kader der Borussia: Josip Drmic.
Für einen Fußball, wie ihn sich Verbeek vorstellt, verfügt der Kader der Gladbacher über viele passende Spieler. Ein Xhaka als Strippenzieher und Spielmacher passt perfekt, ebenso die vielen feinen Techniker der zentralen Offensive um Stindl, Hazard und Raffael. Knipser Drmic hat seine Verbeek-Tauglichkeit ja bereits unter Beweis gestellt und mit schnellen Spielern, die Druck über die Flügel machen können, dürfte der Holländer auch etwas anfangen können. Gegen ihn spricht natürlich das Risiko, mit einer verunsicherten Mannschaft so offen und angriffslustig anzutreten (wobei Verbeek in Bochum gerade durchaus nachweist, dass er eine solide Mischung zu finden imstande ist) und, dass Verbeek noch in Bochum angestellt ist und eine Ablösesumme fällig werden dürfte.
Fokus auf die Stärke des Fohlenstalls
Eine letzter Ansatz verbeibt noch: derjenige des Jugendförderers. Das könnte natürlich ein Trainer sein, der selbst aus dem Fohlenstall kommt – oder aber Jens Keller. Der ehemalige Schalker Trainer stößt bei den meisten Fans erstmal auf Ablehnung, doch dies eigentlich reichlich unbegründet. Keller litt wohl ein bisschen unter mangelndem Charisma und keiner von ihm „erfundenen“ neuen, innovativen Spielidee. Dennoch holte er mit den Schalkern regelmässig Punkte und sicherte die Champions-League-Qualifikation. Dies konnte sein Nachfolger Roberto Di Matteo nicht von sich behaupten. Sportlich hat Keller bestimmt das Rad nicht neu erfunden, aber konstant in einem schwierigen Umfeld Punkte geliefert. Das zählt.
Was dazu für Keller spricht: Er war langjähriger Coach der Schalker A-Jugendlichen und hat einen sehr guten Umgang mit jungen, formbaren Spielern. Er schafft es, solche schnell zu integrieren, ihnen den Rücken zu stärken und sie schlicht besser zu machen. Davon haben auf Schalke Jungs wie Matip, Kolasinac, Meyer, Draxler und Goretzka profitieren können. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Nico Elvedi (18), Andreas Christensen, Mohamed Dahoud (19) oder Marvin Schulz (20) unter Keller nicht auch wachsen und reifen könnten. Ganz zu schweigen von den bereits etablierten 22-jährigen Granit Xhaka, Thorgan Hazard, Nico Schulz und Branimir Hrgota. Auch diese haben noch den einen oder anderen Schritt vor sich in ihrer Karriere.
Jens Keller passt überhaupt nicht zum Gladbacher Stil und Image. Gott bewahre uns.
Das sehe ich anders. Ich habe Jens Keller als bescheidenen, arbeitsamen Coach erlebt, der unter dem Rummel und Druck auf Schalke gelitten, aber dennoch Resultate geliefert hat.
Beischeidenes Arbeiten und alles etwas abseits des grossen Medienrummels passt doch hervorragend nach Gladbach.