Lange galt Englands erste Liga als das Non plus Ultra des europäischen Klub-Fußballs. Doch nach Spanien wird auch Deutschland die Premier League in der UEFA-Fünfjahreswertung überholen. Zeichen eines schleichenden Verfalls? Inside 11 beleuchtet die Hintergründe und zeigt die Probleme der englischen Liga auf.
Zu viel Geld?
Die in der Barclays Premier League fluktuierende Geldmenge ist im Prinzip unermesslich. Die Top-Vereine verpassen sich jeden Sommer eine großzügige Frischzellenkur im Wert von ungefähr 100 Millionen, gern auch mehr. So wird aus „realem“ Geld eine Art Papiergeld, das zwischen den Vereinen hin und her geschoben wird.
Diese Spirale dreht sich immer weiter und wird von Investoren weiter befeuert. Es droht eine Art Inflation. Sollten sich die Investoren irgendwann zurückziehen – sei es aus freien Stücken oder durch strengere Regelungen – stehen der Premier League schwere Zeiten bevor. Auch die Bundesliga und ihr derzeitiger sportlicher Erfolg bedeuten für die BPL eine große Gefahr.
Realistisch gesehen wird die DFL in naher Zukunft Investoren Tür und Tor öffnen. Gut möglich, dass der Investoren-Zirkus einfach nach Deutschland weiterzieht, weil in England die Erfolge ausbleiben.
Keine Jugendarbeit?
Die englische Nationalmannschaft und die englische Liga hatten selten dasselbe Niveau. England scheint seiner eigenen Liga über den Kopf gewachsen zu sein. Die BPL produziert kaum englische Talente, die in der Lage sind, England international nach vorne zu bringen. Es ist kein Wunder, dass Harry Kane bei seinem Debüt gegen Litauen als Heilsbringer gefeiert wurde.
Doch Spieler wie Kane sind Ausnahmen. Die U21-Vertretungen der großen Klubs haben alle um die 40 Prozent Ausländeranteil. Der deutsche Primus FC Bayern beschäftigt nur 16 Prozent ausländische Spieler in seiner Zweitvertretung. Das spiegelt sich auch in den ersten Mannschaften wieder. Beim FC Bayern spielen ca. 50 Prozent Nicht-Deutsche, während beim FC Chelsea 80 Prozent Ausländer kicken.
Englische Spieler beliebt, aber rar gesät
Das zeigt, dass englische Vereine quasi am Tropf ausländischer Ligen hängen – irgendwoher müssen ja qualitativ hochwertige Jugendspieler kommen. Da die Integration ausländischer Spieler jedoch häufig Probleme mit sich bringt, scheint man in England durchaus bereit zu sein, ordentlich Geld in die Hand zu nehmen, um einem Liga-Konkurrenten einen Perspektivspieler wegzukaufen.
Manchester United macht gern Gebrauch von dieser Praktik – so zu sehen bei der Verpflichtung von Luke Shaw diesen Sommer. Die Nordengländer waren bereit 37,5 Millionen Euro zu zahlen, um ihn von Southhampton loszueisen. Diese Ablöse entsprach in keinster Weise seinem damaligen Marktwert, und sie entspricht auch seinem jetzigen noch nicht völlig.
Auch Prestige spielt bei solchen Verpflichtungen eine große Rolle. Es kommt bei den Fans gut an, ein einheimisches Talent in den eigenen Reihen zu haben. Auch haben es englische Spieler leichter, zu Identifikationsfiguren aufzusteigen. Und diese sind in einer Liga, die immer globaler wird, extrem wichtig, besonders in Hinblick auf lokale Verwurzelung.
Der Trainer vom Lokalrivalen Manchester City, Manuel Pellegrini, hat Mitte März angekündigt, bei dieser Praktik nicht mehr mitzumachen – auch wenn es wichtig sei, englische Spieler in seinen Reihen zu haben. Sollten sich weitere Vereinsfunktionäre Pellegrinis Vorbild anschließen, so birgt dies das Risiko, dass die Fluktuation von englischen Topspielern weiter stoppt.
Diese Talente müssen dann, um sich weiterzuentwickeln, ins Ausland gehen. Was zu einer Verschlimmerung des Problems führen würde. Auch hier besteht für die Liga dringender Handlungsbedarf.
Zu hohe Belastung der Spieler?
Eine Besonderheit Englands ist die hohe Frequenz von Spielen. Neben (im besten Fall) drei Pokalwettbewerben, ist da noch die Liga mit 38 Kraft raubenden Spieltagen. Das Fehlen einer Winterpause belastet die Spieler zusätzlich, sowohl psychisch als auch physisch. Dieser belastungstechnische Grenzgang führt zu einer Selektion der Spieler.
Jeder Spieler muss jederzeit fit sein und funktionieren. Das ist in anderen Ligen nicht anders, mit dem Unterschied dass die Premier League auf der ganzen Welt äußerst geschickt vermarktet wird. Man möchte fast von einem globalen Druck reden, der auf den Schultern der Spieler lastet. Diese intensive Vermarktung bedeutet zwar einen Geldsegen für die gesamte Liga, bringt aber auch oben genannte Nachteile mit sich.
Kredibilität in Gefahr
Die Premier League ist dazu gezwungen, grundlegende Dinge zu ändern. Sollte dies nicht geschehen, so läuft sie Gefahr ihre Kredibilität zu verlieren. Was nützt es einer Liga, wenn sie Millionen Zuschauer in aller Welt im Fernseher in den Bann zieht, aber sich in England keine „echten“ Fans im Stadion versammeln, weil sie sich schlicht und einfach kein Ticket mehr leisten können.