Samstag vor einer Woche haben einige mittlerweile festgenommene Täter aus noch unbekannten Motiven den Teambus von Fenerbahce Istanbul angegriffen. Leider war dies nicht der erste Gewaltexzess im türkischen Fußball. Die Vorfälle müssen Folgen haben, sonst droht der Fußball immer weiter in einem Sumpf aus Gewalt zu versinken. Ein Kommentar von Philip Hell.
Der Neid der anderen
Fenerbahce ist ein solide wirtschaftender Verein, der mit Erfolgen zu beeindrucken weiß. Besonders ersteres gilt nicht unbedingt für jeden türkischen Verein. Die wenigsten wirtschaften tatsächlich nachhaltig und mit gleichzeitgem sportlichen Erfolg. Das schürt natürlich den Neid und den Hass der anderen. Hinzu kommen noch die ausgeprägten Feindschaften unter den Anhängern. Fenerbahce und Galatasaray sind dafür Paradebeispiele.
Für einzelne Fans scheint der „Kampf“ abseits des Feldes geeignet zu sein, ein verhasstes Rivalenteam zu schwächen. Der Fall des kaltblütig erstochenen Burak Yildirim machte ganz Europa aufmerksam auf das Gewaltproblem der türkischen Liga. Das war im Mai 2013. Man hätte Zeit gehabt, Dinge zu ändern. Hat man das getan? Nein. War es notwendig, etwas zu tun? Unbedingt. Doch leider hat, wie so oft im Fußball, keiner der Verantwortlichen seinen Arsch hochbekommen.
Nicht nur diese zwei krassen Beispiele zeigen das Problem des türkischen Fußballs.
Als Galatasaray Istanbul letzten Herbst beim BVB spielte, kam es zu massiven Ausschreitungen seitens der Gästefans. Es flogen Sitzschalen in Richtung der Borussenanhänger. Das ist eindeutig kein Verhalten das man bei einem auswärtigem Spiel an den Tag legt.
Bei einem Auswärtsspiel geht es, besonders im Europapokal, darum, sich selbst, seinen Verein und letzten Endes auch sein Land so positiv wie nur möglich darzustellen. Das ist den Galatasaray-Fans in diesem Fall vollkommen misslungen. Und was das Ganze noch schlimmer macht, es ist ihnen mit Vorsatz misslungen.
Der türkische Fußball hat ganz klar Potential. Es wechseln nicht wenige Top-Spieler in die Türkei. Beispielsweise Wesley Sneijder von Galatasaray oder Mehmet Ekici von Trabzonspor. Doch sollten sich türkische Fußballfans weiterhin so schlecht verhalten, wird das zur Folge haben, dass der Fußball dort in seiner Entwicklung gebremst oder schlimmstenfalls ausgebremst wird. Jeder türkische Fußballenthusiast sollte sich dieser Gefahr bewusst sein.
The Show Must Go On?!
Fenerbahce hat nach dem feigen Überfall auf ihren Teambus angekündigt, bis zur vollständigen Aufklärung der Vorfälle nicht mehr zu Spielen antreten zu wollen. Auch die Liga hat reagiert und setzt den nächsten Spieltag aus.
Sofort regten sich Stimmen, dass man mit einem Boykott doch nur den Attentätern nachgebe, ihnen ein Bühne biete. Solche Aussagen sind in Zusammenhang mit dieser Angelegenheit nur dumm. Nichts anderes als bescheuert. Freddy Mercury hat in seinem Lied „The Show Must Go On“ den Willen beschrieben, gegen alle Widrigkeiten zu kämpfen, und sich nicht unterkriegen zu lassen. Die Vorkommnisse vom letzten Samstag sind aber nicht in diesem Licht zu sehen. Ein Verein muss es sich unter keinen Umständen gefallen lassen, nach einem Sieg von bewaffneten Vollidioten überfallen zu werden.
Leider wird im Fußball immer wieder übersehen, dass Fußballer auch nur Menschen sind. Das sind keine Gladioatoren. Das sind 23 Akteure mit Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Das sollte und muss jeder respektieren. Wer mutwillig den Tod von Menschen in Kauf nimmt, hat nichts in Stadien zu suchen. Wer solch schreckliche Dinge tut, macht den Fußball kaputt.
Jeder türkische Fußballfan sollte sich für den Fußball und gegen die Gewalt entscheiden. Das heißt aber nicht nur, dass man selbst nicht handgreiflich wird, sondern auch, dass man die vielbeschworene Zivilcourage auch tatsächlich ausübt. Allerdings trifft dies nicht nur auf den türkischen Fan zu, sondern gilt für alle.
Jeder der Fußball liebt, sollte Gewalt entschieden ablehnen. Die Vorfälle vom Wochenende müssen Folgen haben, sonst droht der Fußball immer weiter in einem Sumpf aus Gewalt zu versinken.
In diesem Sinne: Toparlayın kendinizi – reißt euch zusammen!