Tore machen Weltfußballer

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Auch wenn der Ausgang der Weltfußballer-Wahl zum wiederholten Male nicht eben überraschend daherkam, darf man sich seine Gedanken machen. Fraglich ist der Sinn der ganzen Veranstaltung – allgemein und besonders in seiner aktuellen Form. Inside 11 zeigt die Probleme auf und liefert Alternativen. Darüber hinaus sorgt der Blick auf die verteilten Stimmen für interessante Erkenntnisse.

Sind die besten Stürmer zwangsläufig die besten Spieler?

Ganz grundsätzlich muss man in Mannschaftssportarten doch die Wahl eines besten Einzelspielers nachdrücklich in Frage stellen. Im Handball mag das beispielsweise noch eine gewisse Aussagekraft haben, da dort die Aufgabenverteilung viel weniger deutlich ist und jeder Spieler Kontakt zum eigenen wie auch zum gegnerischen Tor hat. Doch im Fußball?

Zu unterschiedlich sind die Profile um eine solche Wahl aussagekräftig zu gestalten. Selbst wenn man den Torhüter außen vor lassen würde – was freilich nicht der Fall ist. Ein Stratege im defensiven Mittelfeld kann technisch noch so beschlagen sein, er wird seine Umsichtigkeit und die feine Ballbehandlung zumeist fernab des gegnerischen Tores einsetzen. Natürlich ist ein tiefer Spielgestalter viel weniger auffällig als der Torjäger – aber ist er deswegen schlechter?

Braucht die beste Mannschaft den besten Stürmer?

„Der Schlechteste muss ins Tor“ – ein beliebter Satz auf Bolzplätzen. Im Umkehrschluss ist auch klar: Der Beste spielt selbstredend im Sturm. Man braucht ja viele Tore für den Sieg, zumindest mehr als der Gegner. Dass moderner Fußball etwas differenzierter funktioniert, braucht man niemandem mehr zu erklären.

Im europäischen Vereinsfußball zeichnete sich die letzten Jahre sogar ein Bild ab, dass auf das Gegenteil hinweist. In Deutschland war Grafite vom VfL Wolfsburg 2009 der letzte Torschützenkönig, der auch Meister wurde. Seitdem stürmte der Top-Torjäger nicht mehr für die beste Mannschaft. In Spanien sieht es ähnlich aus: Cristiano wurde nur Torschützenkönig, wenn Barcelona oder Atlético die Meisterschaft erringen konnten. Und in Messis Rekordsaison mit sagenhaften 50 Treffern hieß der Meister: Real Madrid.

Dies soll die Leistung der Stürmer gar nicht schmälern, nur deren Bedeutung. Die besten Mannschaften sind nicht zwangsläufig diejenigen der besten Stürmer. Man darf sogar annehmen, dass unberechenbarere Teams mit vielen gefährlichen Angreifern erfolgreicher abschneiden dürften und dass sich die Qualität eines Teams am stärksten im Mittelfeld abzeichnet. Dazu kommen die Leistungen der Verteidiger. Anders formuliert, was zu oft vergessen geht: Ein Tor zu verhindern ist gleich viel wert wie eines zu erzielen. Das war der Lieblingssatz einer meiner Trainer.

Etwas konstruktiver: Wie wäre es besser?

Festzuhalten bleibt: Den besten Fußballer gibt es nicht. Es wird auch sehr schwierig, sich auf den besten Stürmer zu einigen oder den besten Verteidiger. Denn alle spielen sie in unterschiedlichen Mannschaften. Andere Mitspieler, verschiedene Aufgaben und Anforderungen sind die Folge. Eine solide Vergleichsgrundlage lässt sich nicht finden. Soll man eine solche Wahl deswegen abschaffen? Nein, denn sie würde fehlen.

Der „Kicker“ mit gutem Beispiel

Wohl aber könnte man sie differenzierter ausgestalten, in dem man Spieler nach Positionen einteilt und jeweils den besten Aussenverteidiger und zentralen Mittelfeldspieler kürt. So würde eine reine „Weltstürmerwahl“, wie Philipp Lahm sie jüngst nannte, vermieden.

Nach diesem Muster verfährt der Kicker, wenn er halbjährlich solche Bewertungen innerhalb der Bundesliga vornimmt. Den Weltfussballer könnte man dann beispielsweise bestimmen, indem man eine Wahl veranstaltet, in der nur die Gewinner dieser Unterkategorien wählbar wären.

Das Ergebnis wäre wohl dasselbe, nämlich, dass Messi vor Ronaldo gewänne. Allerdings wären nicht lediglich Angreifer unter den besten fünf Spielern, sondern es fände sich vielleicht auch Manuel Neuer oder Andres Iniesta (oder gar beide?) in den Top 3.

Die Stimmen von aktuellen und ehemaligen Topstürmern

Interessant war es auch, nachzulesen, wer denn wem seine begehrten Stimmen geschenkt hat. Wahlberechtigt sind ja pro FIFA-Mitglied der Nationaltrainer, der Kapitän der Landesauswahl und ein Medienvertreter. Klar, dass die meisten Messi und Ronaldo auf ihren Zetteln hatten, doch gab es einige Auffälligkeiten.

Ibra nur dabei…

Ein Weltfußballer, der nicht Zlatan heißt? Unvorstellbar, eigentlich. Logisch wäre es gewesen, wenn der schwedische Kapitän seinen Zettel leer an die FIFA zurück gschickt hätte. Doch Ibrahimovic sprang über seinen großen Schatten – und blieb sich treu: Messi bezeichnete er bereits öfters als „Genie“, Ronaldo dagegen etwas irdischer als „Trainingsprodukt“. Konsequent also, dass Ronaldo gar nicht erst genannt wurde, sondern Messi, gefolgt von den Teamkollegen Neymar und Suarez. Naja, jeder mit etwas Fußball-Sachverstand weiss dennoch, dass „Ibrakadabra“ ohnehin jeden zlatanisiert. Wenn er nur will.

…zwei Andere mittendrin

Weiter war der Konkurrenzkampf zwischen Messi und Ronaldo durchaus spürbar, nicht zuletzt auch von ihnen beiden. Sich selbst durften sie ja nicht wählen, aber dem Gegner Punkte schenken und damit seine Leistungen anerkennen, wäre wohl auch zu viel des Guten gewesen. Mehr noch: Alle Punkte Messis blieben in Barcelona, alle von Superstar „CR7“ in Madrid. Nicht nur von sich, auch von ihren Mitspielern sind die beiden scheinbar überzeugt.

Kreativ überraschte der ehemalige Weltklasse-Stürmer Patrick Kluivert. Er trainiert die Nationalmannschaft von Curaçao in Mittelamerika und wählte Neymar, Suarez und Lewandowski. Selbstredend auch allesamt Stürmer, dennoch scheint er genug von den altbekannten Gesichtern zu haben. Joachim Löw scheint es ähnlich zu gehen, doch er wählte etwas nationalistischer: Neuer, Müller und Kroos.

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