Liebe FIFA, was ist aus dir geworden?

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„Früher war alles besser“ – so heißt es immer, wenn man den Großeltern zuhört über die schöne alte Zeit in der noch alles in Ordnung war. Wenn man auf die FIFA schaut, dann kann man in den Tagen rund um die Weltmeisterschaft durchaus diesen Eindruck gewinnen: Unmengen an Protesten gegen die WM in Brasilien, Korruptionsskandale und Ärger um die Vergabe der WM 2022 nach Katar. Liebe FIFA, ist das dein Ernst? Ein Kommentar.

Proteste in Brasilien

Fangen wir mit den Protesten in Brasilien an. Acht Milliarden Euro soll die WM die brasilianischen Bürger kosten, nach neusten Berichten steigen diese Kosten sogar bis auf zehn Milliarden. Deutlich mehr als der 2007 veranschlagte Betrag, damals war es noch weniger als eine Milliarde. Sind das Ausgaben, die notwendig sind, die das Schwellenland weiter voranbringen? Oder ist das herausgeschmissenes Geld, welches besser genutzt werden könnte?

Allein für das Bauen und das Renovieren von Stadien sollen 2,65 Milliarden zur Verfügung gestellt worden sein. Schaut man sich die Stadien an, lässt sich aber schnell sagen, dass das zu viel Geld ist und zum Teil unnötig ausgegebenes Geld. Denn bei vier WM-Stadien steht schon fest, dass sie nach der Weltmeisterschaft nicht mehr weiterbenutzt werden, da die Unterhaltungskosten zu hoch sind und kein Fußballverein in der Nähe ist, der diese mächtigen Stadien füllen kann. Dazu gehören die Stadien in Brasilia, Cuiaba, Manaus und Natal. Die circa 850 Millionen Euro für diese vier Stadien wären besser aufgehoben gewesen im Gesundheits- und Bildungswesen Brasiliens.

Nachhaltigkeit verdient mehr Respekt

Das muss man sich auch mal vorstellen: Man baut ein Stadion mitten in den Regenwald und sorgt für eine gute Infrastruktur. Das ist doch eine irrsinnige Idee, denn bei solch tropischen Bedingungen fällt es schon Profifußballern schwer, sich über 90 Minuten zu konzentrieren und ihre Leistung abzurufen. Gerade in einer Zeit, in der das Bewusstsein für den Klimawandel und den Schutz des Amazonas immer größer wird, ein solches Stadion zu errichten, zeigt, dass es dort nicht um die Menschen, sondern um die Selbstdarstellung einiger wichtiger Persönlichkeiten geht. Die Brasilianer werden von diesem Bauvorhaben nicht viel haben. Daher kann man die Demonstranten nur verstehen.

In einer Welt im Wandel, die immer mehr auf die Umwelt achtet, sollten Wettbewerbe wie die WM auch auf ihre Nachhaltigkeit geprüft werden. Es verdient viel mehr Respekt, wenn man es schafft, dass die Kosten für die Spiele nachhaltig angelegt werden. Die bestehenden Infrastrukturen sollten genutzt und erweitert werden, bestehende Stadien renoviert und zum Teil ausgebaut werden. Es kann und darf nicht Sinn und Zweck der FIFA-Fußballweltmeisterschaft sein, dass die Ausrichter Luftschlösser bauen, die dem Volk nichts bringen und die Haushalte drastisch belasten.

Korruption und Katar

Der zweite Punkt ist die WM 2022 (noch) in Katar. Gleich nach der Entscheidung für den Wüstenstaat wurden Stimmen laut, dass es dort nicht mit rechten Mitteln zugegangen sei. Und bis heute wurden diese Stimmen nicht leiser, sondern lauter. Die FIFA und der machtbesessenen Präsident Sepp Blatter geben hier ein trauriges Bild ab. Wenn eine WM-Vergabe so viel Protest aufwirbelt und sich Korruptionsverdächtigungen bestätigen, so leidet nicht nur die FIFA darunter, sondern auch der Fußball.

Viele Funktionäre mussten schon die Koffer packen, da man ihnen etwas nachgewiesen hatte, aber wieso ist Sepp Blatter noch im Amt? Es erscheint doch etwas irritierend, dass am Ende alle möglichen Kandidaten auf den Vorsitz der FIFA suspendiert werden außer der Vorsitzende selbst. Wären in der freien Wirtschaft unter einem Vorsitzenden so viele Vorstandsmitglieder gefeuert worden, so wäre dieser wohl kaum mehr im Amt, sondern hätte schon ziemlich früh die Segel streichen müssen.

Wer hat bei der FIFA noch den Durchblick?

Auch auf den Baustellen gab es schon neun Jahre vor der WM zig Skandale. Immer wieder gibt es Vorwürfe über modernen Sklavenhandel und unzumutbaren Arbeitsbedingungen, die dort den Arbeitern zusetzen. Hier traf Franz Beckenbauer eine eher ungünstige Aussage, indem in einem Interview behauptete, dass dort keine Sklaven eingesetzt würden, weil er keine Menschen in Fesseln gesehen hätte. Diese Aussage zeigt auch, dass ein Teil der FIFA zu naiv an die Sachverhalte rangeht, während die andere Hälfte versucht, in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Ein undurchdringbares Wirr-Warr aus Spekulationen, Korruptionen und verschiedensten Aussagen macht die FIFA immer mehr zu einer Institution von älteren Herren, die an der Macht hängen wie ein Abhängiger an der Opium-Pfeife. Auch die Suspendierung von Beckenbauer wirft viele Fragen auf. Wollte und will Beckenbauer die FIFA nicht unterstützen, wie von offizieller Seite berichtet wurde? Oder stimmt die Aussage des Kaisers, dass man nicht in der Lage war, die gestellten Fragen ins Deutsche zu übersetzen? Diese Causa zeigt wieder einmal ziemlich gut, dass bei der FIFA niemand wirklich den Durchblick zu haben scheint.

Blatter träumt von „interplanetaren Meisterschaften“

Zu guter Letzt sorgte der Auftritt von Sepp Blatter auf dem FIFA-Kongress in Sao Paulo für unverständliches Kopfschütteln. Da macht sich der 78-Jährige doch wirklich Gedanken darüber, ob Fußball nicht auch irgendwann auf anderen Planeten gespielt werden könnte und es dann zu einer interplanetaren Meisterschaft kommen kann. Kombiniert mit der Ankündigung, er wolle noch weitere vier Jahre im Amt bleiben, zeigt das, dass der Schweizer in seinem ganz eigenen Universum unterwegs ist.

Diese Amtszeit wird vermutlich gefährlich für den Fußball und sein Ansehen, denn wer will eine WM, die den Menschen in den Gastgeberländern noch mehr Armut bringt? Niemand will so etwas. Aus diesem Grund kann man die FIFA-Funktionäre nur bitten, eine andere, jüngere und leidenschaftliche Person für das Amt des Vorsitzenden vorzuschlagen, der frischen Wind in den Laden bringt.

Forderungen an den Weltverband

Das Ziel der Weltmeisterschaft sollte es sein, Menschen zu verbinden, sie zu begeistern – und nicht ein Fest zu feiern auf den Kosten von Leuten, die sich nicht einmal ein Ticket für eines der Spiele leisten können. Das ist eine Farce und hat nichts mit dem sportlichem Gedanken zu tun. Natürlich sollte man die wirtschaftliche Seite nicht ganz ausblenden, aber man darf nicht verlangen, dass Länder Arenen bauen und die dazugehörige Infrastruktur errichten, wenn sie danach nie mehr genutzt werden. Wer das fordert und erwartet, veranstaltet Spiele, um sich ein Denkmal zu errichten und nicht für die Menschen!

In diesem Sinne: Liebe FIFA, sorge wieder dafür, dass die Spiele auch für und mit den Menschen veranstaltet werden. Liebe FIFA, lass los von Sepp Blatte und verjüngere dich, um notwendige Reformen durchzuführen. Liebe FIFA, sei wieder mehr für den Fußball da und fülle weniger die Taschen deiner Funktionäre. Nur wenn das passiert wird es wieder aufwärts gehen und die FIFA zu einer Institution, die man ernst nehmen will und nicht nur muss.

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