Ein Schock für die Fußballwelt

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Der Fußball liefert beinahe täglich ikonische Bilder: Ein kleiner Junge im Chapecoense-Trikot, der um seine verstorbenen Helden trauert. Dortmunder Fans vor der Anzeigetafel, die ein 8:4 abbildet. Wir lieben den Fußball und diese Bilder. Sie stimmen uns freudig, sie lassen uns Schmerz fühlen. Doch hinter ihnen steckt harte Arbeit.

Um Fußballprofi zu werden, müssen junge Talente oft schon sehr früh von zu Hause ausziehen und ein Nachwuchsleistungszentrum besuchen. Die Eltern dieser Jungen vertrauen fremden Menschen ihre Kinder an. Dieses Vertrauen wird in Großbritannien derzeit massiv erschüttert. Englische Medien berichten über massenhaften Missbrauch an jungen Talenten durch Verantwortliche.

Andy Woodward, ein ehemaliger Verteidiger von Crewe Alexandra und Polizist, hat den Stein ins Rollen gebracht. Er schied im November aus dem Polizeidienst aus. Seine Entlassung wurde mit einer unangemessenen Beziehung Woodwards mit einem Familienmitglied eines Opfer begründet.

Im Fokus: Das „Monster“ Bennell

Nach seiner Entlassung wandte er sich an die Öffentlichkeit und berichtete vom Missbrauch seines ehemaligen Trainers Barry Bennell an ihm. Bennell ist hinsichtlich des Missbrauchs an Minderjährigen einschlägig vorbestraft.

1994 wurde er in Florida aufgrund des Missbrauchs an einem 14-jährigen Mitglied seiner Fußballmannschaft zu vier Jahren Haft verurteilt. Bei seiner Rückkehr nach Großbritannien wurde er erneut verhaftet.

Bennell, der sich selbst als Monster bezeichnete, verschleierte seinen Missbrauch sehr perfide. Er drohte seinen Opfern mit der Zerstörung ihrer Fußballkarriere.

Berichten zufolge sollen Gary Speed und Alan Davies Lieblinge von Bennell gewesen sein und ihn häufiger zu Hause besucht haben. Beide verübten Selbstmord. Davies im Jahr 1992, Speed in 2011. Die Beweggründe für die beiden Selbstmorde sind bis dato ungeklärt. Manche Beobachter vermuten aufgrund der neuen Vorwürfe gegen Bennell, einen Missbrauch von Speed und Davies durch ihren Trainer, dessen Langzeitfolgen sie in den Suizid getrieben haben könnte.

Weshalb wurde der Missbrauch solange verschwiegen?

Es stellt sich die Frage, weshalb der Missbrauch solange verschwiegen wurde.

Zunächst lässt sich hier dasselbe Muster wie bei ähnlichen Fällen erkennen. Die Opfer schämen sich für den Missbrauch und können sich nicht zu einer Anzeige überwinden. Auch fehlt ihnen die Kraft, mit dem medialen Interesse umzugehen. Letzteres zeigt sich in vielen Interviews mit Andy Woodward, der ständig den Tränen nahe zu sein scheint.

Besonders perfide haben sich die Vereine verhalten. Sie gaben den Opfern Geld, um den Missbrauch zu verschleiern. Ein völlig inakzeptables Verhalten, welches die Opfer beleidigt und die Täter schützt.

Ein weiterer Pädophilen-Ring?

Manche Opfer sprechen von einem Pädophilen-Ring im Fußball Nordenglands.

Es wäre nicht der erste Fall eines solchen Ringes. In Rotterham (ebenfalls Nordengland) agierte jahrelang ein professioneller Pädophilen-Ring, der 1400 Kinder und Jugendliche versklavte und zu abscheulichsten sexuellen Handlungen zwang.

Auch der Fall von Jimmy Savile machte weltweit Schlagzeilen. Der ehemalige Radiomoderator hat Hunderte von Kindern und Jugendlichen missbraucht. Darunter auch krebskranke Kinder in einem von ihm unterstützten Krankenhaus.

Diese Fälle zeigen: Kindesmissbrauch ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

860 Hinweise in wenigen Tagen

Auch im aktuellen Fall schnellen die Opferzahlen rapide in die Höhe. Auf einer von der FA eingerichteten Hotline haben sich bis zum 1. Dezember 860 Menschen gemeldet. Diese haben 350 ehemalige Trainer des Missbrauchs bezichtigt. Es bahnt sich ein Missbrauchsskandal mit enormen Ausmaßen an.

Solch ein Missbrauchsskandal ist freilich auch in Deutschland möglich. Im Jahr 2013 berichtete der Spiegel beispielsweise über den Missbrauch eines Jugendspielers durch seinen Trainer.

Es gilt nun, die richtigen Lehren aus solchen Skandalen zu ziehen. Kein Betreuer darf allein die Macht haben, über die Karriere eines Schützlings zu verfügen. Psychologische Angebote müssen ausgebaut werden. Die Gesellschaft muss für dieses Thema sensibilisiert werden.

Hilfe für Betroffene

Bist du selbst Opfer eines Missbrauchs geworden – körperlicher oder seelischer Natur? Es gibt diverse Stellen, an die du dich wenden kannst:

Erkennst du bei dir selbst pädophile Tendenzen und befürchtest irgendwann deine Fantasien in die Tat umzusetzen? Nutze das Angebot von Kein Täter werden.

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