Drei Jahre lang stand er beim FC Bayern München an der Seitenline: Pep Guardiola. Kein anderer Bundesliga Trainer hatte je einen höheren Punkteschnitt. Zu seinem Abschied blicken wir noch einmal zurück – auf die drei Jahre Amtszeit, seine Erfolge und die von ihm abgeschlossene Entwicklung, die einst ein anderer Ex-Barca-Trainer begann.
Guardiola und die Presse
Am 24.06.2013 sollte es endlich soweit sein. Im Konferenz-Raum der Allianz Arena versammelten sich sage und schreibe über 240 Journalisten aus elf Nationen. Die größte Pressekonferenz der Vereinsgeschichte – für den derzeit größten Trainer. Pep Guardiola wurde offiziell vorgestellt, in Folge seines Auftritts des öfteren für sein gutes Deutsch gelobt und schien bemüht, die Fragen der Reporter zufriedenstellend zu beantworten.
Knapp drei Jahre später, knirschte es öfter mal hier und da zwischen Reportern und Guardiola. Man bekommt zwangsläufig den Eindruck, beide Seiten hätten sich nie so ganz verstanden. Nach dem Champions-League-Aus im Halbfinale der Saison 2015/16 gegen Atlético Madrid wird Pep Guardiola mehrfach gefragt, ob er nun gescheitert sei. Er gibt in den nächsten Tagen immer wieder eines zu Wort: Er habe alles gegeben, das sei das Wichtigste, damit könne er abends gut schlafen. Die Bewertung seines Schaffens überlässt Guardiola den Medien. Dann mal los.
Ideallösung nach Heynckes
Guardiola kam zu den Bayern als die absolute Traumlösung. Dass Triple-Coach Heynckes im Sommer aufhört, war bereits im Winter klar, als ebenfalls Guardiola als sein Nachfolger publik wurde. So richtig ausgesprochen hat es keiner – dennoch schien klar: Guardiola muss die Champions League gewinnen. Zu erfolgreich war seine Zeit bei Barcelona, zu gut der zur Verfügung stehende Kader, als dass es nicht klappen könnte.
Die ersten Transfers der Saison waren Mario Götze und Jan Kirchhoff. Götze spielte unter Guardiola stets solide, ließ jedoch stets Luft nach oben. Kirchhoff scheiterte letzlich vollends. Der erste Transfer den Guardiola unbedingt realisieren wollte, war Thiago, der für 25 Millionen Euro von Peps Ex-Verein, dem FC Barcelona, an die Isar wechselte. Der mittlerweile legendär gewordene Ausspruch „Thiago oder nix“ verdeutliche den unbedingten Willen von Guardiola, seinen ehemaligen Schützling zum neuen Verein zu holen.
Thiago überzeugte vollends und fungierte als verlängerter Arm des Trainers, der Guardiolas Prinzipien bestens kannte. Im Laufe der ersten Saison wurde immer wieder betont, dass Guardiola nun Tiki-Taka-Fußball mit den Bayern spiele. Dass Guardiolas Bayern und Guardiolas Barca recht unterschiedlich funktionieren, wurde auch in den zweieinhalb folgenden Jahren von manchen Leuten glänzend ignoriert. Denn auch unter Guardiola herrschte Flügelfokus beim FC Bayern: Ribéry und Robben blieben Stützpfeiler des Systems, darüber hinaus gab es jedoch mehr Ballbesitz als noch unter Heynckes. Bayern sollte in den Folgejahren die Fähigkeit perfektionieren, gegen einen tiefstehenden Gegner geduldig zu bleiben, bis sich eine Lücke auftut.
Der Rest der Liga war nahezu 34 Spieltage lang ratlos, der FC Bayern spielte ein überragendes Jahr in der Bundesliga, welches mit 90 Punkten abgeschlossen wurde. Der Rekordmeister erzielte ganze 94 Treffer. Am Ende stand das Double.
Auch Guardiolas Vorliebe für junge Spieler wurde bereits sichtbar. Etwa mit mehreren Einsätzen von Contento und Kirchhoff. Vor allen Dingen aber im Pokalfinale gegen den BVB, in dem der Trainer überraschend Pierre Emile Höjbjerg aufbot, der beim Pokalsieg der Münchener ein überragendes Spiel machte. In der Champions League führte Pep seine Mannen bis ins Halbfinale, wo man gegen Real Madrid klar und deutlich ausschied.
Der erste Kaderumbruch
In der darauffolgenden Sommerpause wurde weiter am Kader geschraubt. Mit Bernat, Xabi Alonso und Pepe Reina wurde wurden gleich drei Spanier verpflichtet. Darüber hinaus wurde der langersehnte Transfer von Robert Lewandowski unter Dach und Fach gebracht, welcher in München zum ersten klassischen Mittelstürmer werden sollte – mit dem Pep voll und ganz zufrieden schien.
Mit Sebastian Rode wurde einer der komplettesten Spieler der Bundesliga verpflichtet, den Pep später als „Lieblingsspieler“ bezeichnen sollte. Medhi Benatia kam als robuster, kopfballstarker Innenverteidiger vom AS Rom. Und auch in die Zukunft sollte investiert werden: So wurde Sinan Kurt von Borussia Mönchengladbach geholt, für den die Bayern jedoch offensichtlich (noch) eine oder zwei Nummern zu groß waren. Aus der eigenen Jugend entdeckte Guardiola Gianluca Gaudino, der gerade in der Saisonvorbereitung viel Einsatzzeit bekam.
Solch eines brachialen Umbruchs bedarf es natürlich auch Abgänge. So verließ Toni Kroos den FC Bayern um sich den Madrilenen anzuschließen. Mario Mandzukic heuerte bei Atlético an. Letzterer ging im Streit mit Guardiola, Toni Kroos dürfte der Katalane hingegen das ein oder andere Mal vermisst haben.
Bayern startete furios in die neue Saison: Die komplette Hinrunde verlor Pep nicht ein Bundesligaspiel und kassierte lediglich vier Gegentore. Vor allem in der Champions League etabliert Pep die Dreierkette. Mit der kam auch der AS Rom überhaupt nicht zurecht, der zuhause 1:7 gegen die Bayern unterging. Die Rückrunde startete mit einer kuriosen 1:4-Niederlage gegen die Wolfsburger, die später Vizemeister und Pokalsieger werden sollten.
In der Rückrunde erwischten die Bayern vor allen Dingen riesiges Verletzungspech. Dass unter anderem Robben und Ribéry ausfielen, zwang Pep dazu, gegen den BVB einen grandiosen taktischen Kniff aus dem Hut zu ziehen. In Dortmund spielte Guardiola anders als sonst deutlich passiver, lediglich Müller und Lewandowski füllen die Offensive mit Leben. Es funktionierte: Bayern gewann 1:0.
Für den FC Barcelona reichte es jedoch nicht, erneut streichen Guardiolas Mannen (erst) im Halbfinale die Segel. Auch am Pokal-Finalwochenende hatten die Münchener nach einem kuriosen Aus im Elfmeterschießen gegen den Erzrivalen aus Dortmund frei. Es blieb (natürlich) der Bundesligatitel. Erneut wird der Titel souverän verteidigt, zehn Punkte Vorsprung auf die Wolfsburger sprechen eine deutliche Sprache.
Abschied eines Urgesteins, Kaderbreite wie nie
Mit einem von drei Titeln ging es also in die letzte Saison. Den immer wiederkehrenden Verletzungen – besonders im Frühjahr – wurde über Transfers versucht Einhalt zu gebieten. So wurden mit Kingsley Coman und Douglas Costa zwei Spieler für die Außenbahnen verpflichtet, die den eventuellen Ausfall von Robben und Ribéry abfangen können. Den vom VfB Stuttgart losgeeisten Joshua Kimmich formte Guardiola innerhalb einen Jahres zu einem grandiosen Innenverteidiger.
Er ist Guardiolas Vermächtnis, dass dem FC Bayern der nächsten Jahre höchstwahrscheinlich noch eine große Hilfe sein wird, auf dem Weg zum ein oder anderen Titel. Der Abgang Schweinsteigers, den alle bedauerten und dennoch alle verstanden haben, wurde durch Arturo Vidal kompensiert, der ein großer Gewinn in puncto Dynamik war.
Auch die letzte Saison startete grandios
Guardiola hatte durch die Neuverpflichtungen im letzten Jahr so viele taktische Möglichkeiten wie noch nie. Der Flügelfokus blieb auch im dritten Jahr, jedoch besitzen Costa und Coman bei weitem nicht einen solch ausgeprägten Zug zum Tor wie Ribéry und Robben – sondern sind darauf bedacht die Mittelstürmer in Szene zu setzen. Ergebnis dessen waren unter anderem die 20 Bundesliga Tore von Thomas Müller und Robert Lewandowskis Torjägerkanone, die er mit 30 Treffern gewann.
Auch die gerade beendete Saison 2015/16 startete grandios: Die ersten zehn Bundesliga-Spiele wurden allesamt gewonnen, darunter beeindruckende 5:1-Kantersiege gegen die Konkurrenz aus Wolfsburg und Dortmund. Auch Arsenal ging mit 5:1 in der Allianz Arena unter. Mit acht Punkten Vorsprung war die Meisterschaft zum Jahreswechsel de facto erneut in Münchener Hand.
Im Winter dann die Meldung: Pep Guardiola verlässt den FC Bayern München zum Saisonende in Richtung England. Kurz darauf wurde bekannt gegeben, dass Carlo Ancelotti ihm folgen wird. Mit der Gewissheit, dass Guardiola die Bayern verlässt, lag nun ein großer Fokus auf der Rückrunde. Und anders als in den Jahren zuvor blieb der FC Bayern größtenteils vom Verletzungspech verschont und bot auch in der Rückrunde fantastischen Fußball.
Starke Spiele in der Champions League
In besonderer Erinnerung bleiben dürfte vor allem die erste Stunde des Champions-League-Spiels in Turin, die wohl beste Leistung der Saison. Nach einem glücklichen und doch verdienten Einzug in das Viertelfinale wurde dort souverän Benfica Lissabon geschlagen. Der Halbfinaleinzug war perfekt, der Gegner Atlético Madrid.
Beim ersten Halbfinaleinzug Guardiolas war Real Madrid schlichtweg sehr viel besser. Bei den Spielen gegen Barcelona waren die Verletzungssorgen zu groß, Barca darüber hinaus in Überform. Bei diesem dritten, dem letzten Halbfinaleinzug unter Pep, hat schlichtweg Pech das Weiterkommen verhindert. Die Bayern waren über zwei Spiele die klar bessere Mannschaft. Genützt hat es nichts, weil Bayern im Rückspiel einen Fehler zu viel machte, den sie bis zuletzt nicht auszugleichen vermochten.
Damit stand fest, dass es in der Amtszeit Guardiolas keinen Champions-League-Sieg mehr geben wird. Der Meistertitel aber wurde zum vierten Mal in Folge gewonnen. Im Pokalfinale gelangt die Revanche für das Vorjahr. Diesmal traf man erst im Finale auf den wiedererstarkten Konkurrenten aus Dortmund. Erneut mussten beide Mannschaften bis ins Elfmeterschießen, jedoch konnte sich diesmal der FC Bayern durchsetzten. Guardiola beendete das Kapitel Bayern, wie er es anfing: mit dem Double.
Guardiola etabliert Bayern München in der Weltspitze
Nimmt man nur diese Titel, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass Guardiola eine sehr gute Amtszeit beim FC Bayern vorzuweisen hat. Zieht man noch ein oder zwei andere Faktoren hinzu, wird sie zu einer grandiosen.
So sollte man Guardiolas Anstellung als Finalisierung einer Entwicklung betrachten. Einer Entwicklung, die unter Louis van Gaal begann und dem FC Bayern eine etwas neue Philosophie bescherte. Unter van Gaal bekamen die Münchener zum einen ein klares taktisches Profil (Ballbesitzfußball), wie auch eine klare neue Ausrichtung, die sich eher auf die Champions League als auf die Bundesliga fokussierte.
Seit van Gaal ging es mit den Bayern stetig bergauf, das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand ist hier als Highlight der Amtszeit des Holländers zu nennen. Dann übernahm Heynckes einen Verein, der diese internationale Ausrichtung nun auch auf dem Transfermarkt fortsetzte. So kam zum Beispiel Javi Martinez, der bis heute teuerste Transfer der Münchener Bayern, unter ihm zu Stande. Jedoch hatte Heynckes während seiner Amtszeit auch das Problem, dass der BVB auf einmal einen hervorragenden Konkurrenten darstellte, der Meister wurde, ein Jahr später sogar das Double gewann.
2011/12 waren die Bayern am Boden. Sie verloren das „Finale dahoam“, das Pokalfinale, und wurden Zweiter in der Liga. Die dadurch entstandene Energie wusste die Mannschaft zu nutzen und holte ein Jahr später mit Jupp Heynckes das Triple. Nach dem Finale in der Königsklasse sagten mehrere Bayern-Spieler, dass sie eher Erlösung, denn Freude fühlten. Doch man verwies den nationalen Konkurrenten nun seinerseits auf die zweiten Plätze. Heynckes führte den Rekordmeister national zurück auf den Thron und international – vor allem durch die Siege über Barcelona – endgültig in die Riege der Spitzenclubs.
Ancelotti tritt in große Fußstapfen
Guardiolas Auftrag war es, die Bayern dort zu etablieren. Es gelang ihm mit Bravour. Die vielen nationalen Titel führten darüber hinaus dazu, dass Carlo Ancelotti einen Klub übernimmt, der der nationalen Konkurrenz in allen Belangen um Lichtjahre voraus ist. Was natürlich nicht heißt, dass der FC Bayern die nächsten vier Jahre ebenfalls Meister wird. Ein Champions-League-Sieg der Bayern unter Guardiola wäre sicher ebenfalls möglich gewesen: Ihn jedoch zu erwarten, oder Guardiola gar am Triple messen zu wollen, ist absurd.
Nach den letzten drei Jahren, mit drei Halbfinals in der Champions League, zählen die Bayern zusammen mit dem FC Barcelona und Real Madrid zu den großen drei Clubs Europas. Einen solchen Stellenwert besaß der FC Bayern selbst unter Heynckes nicht. Er besaß ihn seit Einführung der Champions League eigentlich noch nie.
Und dass er ihn nun hat, verdankt der FC Bayern einer Evolution, die seitens des Vereins mit Louis van Gaal begonnen hatte, unter Heynckes weitergeführt und unter Guardiola schließlich finalisiert wurde. Ancelotti hat riesige Fußstapfen auszufüllen und ist gleichzeitig der perfekte Kandidat für diese Aufgabe. Es bleibt abzuwarten, ob seine Vorstellungs-PK ähnlich pompös ausfällt.