Warum ist Sucht im Fußball ein Tabuthema?

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Uli Borowka hat mit seiner Autobiografie endlich ein Licht auf die Suchtproblematik in der Bundesliga geworfen. Doch wer glaubt, dass dieses Problem in die Zeit von Haudegen wie Basler oder Effenberg fällt, der irrt. Auch in einer Zeit in der viele Profis sich als Saubermänner zelebrieren, gibt es eine dunkle Seite des Geschäfts.

Burnout wird akzeptiert, Sucht ignoriert

Als Borowka 2012 sein Buch „Volle Pulle“ veröffentlichte, flackerte zum ersten Mal so etwas wie eine Diskussion über Sucht im modernen Fußball auf. Doch geändert hat sich rein gar nichts. Ganz im Gegensatz zum tragischen Freitod Robert Enkes in 2009. Ausgelöst durch diese Tragödie wurden in den Vereinen und im DFB Strukturen geschaffen, um präventiv tätig zu werden. Das ist gut so. Doch muss sich erst ein scheinbar gesund erscheinender Fußballer zu Tode saufen, damit sich eine Diskussion auch in Präventionsangeboten niederschlägt?

Vor der Sucht ist jeder gleich

Aufgrund der extrem hohen Frequenz an medialer Berichterstattung ist es für Starspieler wie Franck Ribery oder Mats Hummels fast unmöglich, eine Alkoholsucht auszubilden. Fast unmöglich heißt aber nicht, dass es solch einen Fall nicht geben kann. In der freien Wirtschaft kann man das Phänomen leider immer häufiger beobachten: Manager in Spitzenpostionen die, aufgrund des Drucks der auf ihnen lastet, zu oft zu viel trinken. Ein Kapitän oder ein Trainer einer Bundesligamannschaft ist nichts anderes als ein Manager.

Doch auch ohne in einer Spitzenpostion zu sein, kann man dem Alkohol verfallen. Nimmt man nur einmal das hypothetische Beispiel eines 33-jährigen Mittelfeldspielers in der zweiten Liga, der in seinem Verein nur noch dritte Wahl ist. Dieser Frust lässt sich mit der entsprechenden Menge Wodka um einiges leichter ertragen.

Doch auch eher unscheinbare Akteure im Fußballbusiness können Süchtige sein. Beispielsweise das Stereotyp des 19-jährigen Jungspunds, der entdeckt, dass man mit einem Ferrari vor der Tür und diversen Fuffis im Club ziemlich viel Spaß haben kann. Und wenn dann noch falsche Freunde dazukommen, die ihm zeigen, dass man diesen Spaß auch in Gramm kaufen kann, dann endet dieses Talent ganz schnell auf der Restrampe für Kokainsüchtige. Es zeigt sich: Vor der Sucht ist jeder gleich.

Wie können die Vereine reagieren?

Klar ist: der Trainer kann und wird nicht zur Stelle sein, wenn ein dubioser Dealer einem jungen Hoffnungsträger ein kleines Päckchen mit verdächtigem Inhalt verkauft. Ein Jugendspieler muss lernen, auf sich selbst aufzupassen, dafür gibt es in Vereinen entsprechende Maßnahmen. Doch was macht man mit den „Älteren“?

Otto Rehagel hat seinerzeit als sogenannter „Ko-Abhängiger“ gehandelt. Er hat Borowka und seine Sucht gedeckt. Ihm war anscheinend nicht bewusst, dass er den Burschen mit Karacho ins Verderben laufen ließ. Es war wohl ein kleines Wunder, dass Borowka zu dieser Zeit nicht gestorben ist. Ein Verein und seine Betreuer müssen den erfahrenen Spielern klarmachen, dass es mitnichten ein Zeichen von Schwäche ist, sich in Behandlung zu begeben.

Ich würde mir wünschen, das ein Betroffener sich zu erkennen gibt und sich in Therapie begibt. Das wäre ein Zeichen wahren Mutes und dürfte vielen ein Vorbild sein. Das heißt, die Sucht zu bekämpfen oder gar nicht erst in die Fängen einer Sucht zu geraten. Die Vereine und die Spieler müssen sich fragen, was besser ist: ein süchtiger Spieler oder ein Spieler, der in einer Therapie die Sucht besiegt und stärker zurückkehrt, auch wenn er länger ausfällt.

Ich möchte mit diesem Artikel ausdrücklich eine Diskussion über Sucht auslösen. Zum einen über die Sucht im Kleinen: Ja, auch der Fußballenthusiast, der sich aufgrund von zu viel Bier an keine zweite Halbzeit der letzten 10 Jahre Bundesliga erinnert, ist süchtig! Aber auch über die Sucht im Großen, Öffentlichen. Es muss akzeptiert sein, sich in eine Therapie gegen eine wie auch immer geartete Sucht zu begeben.

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